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Ober oder unter der Erde? Mit oder ohne die Bürger?
Zur Diskussion über Freilandleitungen bei der Stromübertragung
In ganz Österreich wird seitens der Energiebetreiber derzeit das Stromnetz modernisiert und aus ihrer Sicht „zukunftsfit“ gemacht. Der Rückhalt der etablierten Politik ist dabei gewiss. Leiten die einen Parteien daraus eine erhöhte Autarkie im Energiebereich ab, sind es für die anderen vermehrte Chancen für ein zukünftiges Wirtschaftswachstum allgemein und für andere wiederum das Substrat einer Energiewende schlechthin.
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Dass alleine all diese Argumente einen gewissen Wahrheitsgehalt aufweisen können, ist unbestreitbar, allerdings ist ebenso klar, dass all die getätigten Annahmen von vielerlei Faktoren abhängig sind, welche wir derzeit weder wissen noch fundamental zu beeinflussen in der Lage sind. Aber dennoch, wir müssen für die Zukunft planen.
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Eine gewissenhafte Planung bedeutet jedoch, vielerlei Szenarien zu berücksichtigen, sie bedeutet, Vor- und Nachteile für alle Beteiligten (für eine Gesellschaft als Ganzes, für Bürger in von Eingriffen betroffenen Landschaftsräumen, für den Tourismus, für Umwelt- und Tierwelt, für Grundstücksbesitzer und Bauern u.v.a.m.) zu berücksichtigen und den Blick in die Zukunft so auszurichten, dass er der Gesellschaft letztlich nicht zum Nachteil gereicht. Das ist nicht leicht. Aber es ist Aufgabe der gewählten Repräsentanten in einem demokratisch funktionierenden Staatswesen.
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Derzeit verfolgt die etablierte Politik das Ziel, mittels neuer Gesetzesbeschlüsse die Genehmigungsverfahren für den Energieausbau zu beschleunigen und die Entscheidungen darüber letztlich in eine Hand zu legen - in die der Landeshauptleute. Dabei wird und soll so ziemlich alles auf der Strecke bleiben, was den Interessen von Investoren und Aktionären zuwiderläuft. Das ist weder sinnvoll noch demokratisch, es ist aus meiner Sicht sogar dumm. Denn in Zeiten, wo sich die Bevölkerung ohnedies von der etablierten Politik nicht verstanden fühlt, wo sie ihr längst nicht mehr traut - und das in vielerlei Fragen zu Recht - liefern die Verantwortlichen für eine solche Politik neuen Zündstoff für Parteien, denen die Demokratie längst kein Anliegen mehr ist, sondern die autokratischen Regierungen a la Trump und Orban den Weg zu ebnen trachten.
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Wie gesagt, die einen machen dabei mit, weil ihnen die Wirtschaft ein besonderes Anliegen zu sein scheint (Meistens meinen sie damit allerdings Großkonzerne), die anderen, weil sie nicht verstehen, dass man eine Energiewende nur mit und nicht auf dem Rücken der Bevölkerung betreiben kann, andere wiederum, weil sie dadurch ihre Profite erhöhen wollen usw.
Energiebetreiber sowie Konzerne, die Profite aus der Windenergie ziehen möchten, informieren die Bevölkerung über ihr Vorhaben, zumindest in Niederösterreich, in Veranstaltungsreihen, welche jeglicher demokratischen Grundgesinnung spotten, einseitig und intransparent. Die Behörden arbeiten im Hintergrund - ebenso bürgerfremd und intransparent.
Während den Bürgern die Notwendigkeit von problematischen Freilandleitungen zur Aufrechterhaltung ihrer Stromversorgung in den Häusern vorgegaukelt wird, werden im Hintergrund bereits eifrig die Fäden für das Aufstellen bzw. den zusätzlichen Bau von Windrädern gezogen. Verträge mit Bauern werden vorbereitet, Anfragen für Leitungslegungen durch Grundstücke getätigt, während man offiziell beteuert, die beabsichtigte Freilandleitung hätte mit der Windkraft absolut nichts zu tun.
Erdleitungen werden abgelehnt, denn ihr Bau ist teurer als der von die Landschaft verschandelnden Freileitungen. Ja, stimmt, die Investitionen für Erdleitungen sind für die Energiebetreiber höher. Und richtig ist auch, dass die Dividenden der Aktionäre dadurch wohl sinken würden. Aber von welchem Geld sprechen wir denn da - vom Geld der Energiebetreiber oder von dem der Bürger, welche durch die ohnedies exorbitant hohen Strompreise den Energielieferanten hohe Gewinne bescheren? Dass Erdleitungen im Vergleich zu Freileitungen neben etlichen Nachteilen auch Vorteile bieten, nicht nur für die Bürger, sondern auch für die Energiekonzerne selbst, bleibt in der Pseudodiskussion meist unerwähnt.
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Besonders geeignet für eine Politik des Drüberfahrens und verkürzte Diskussionen scheinen ganz bestimmte Regionen wie z.B. das Waldviertel zu sein. Arbeitsplätze sind rar, die Einkommensverhältnisse vieler Bewohner schlecht, die Überlebensszenarien vieler Bauern alles andere als rosig, mit allzu viel Widerstand seitens der Bevölkerung rechnet man nicht. Also ist es nicht schwierig, einige Phantasien für eventuell zukünftige Investoren unter die Leute zu bringen, die Bauern und Grundstücksbesitzer ködert man mit schnellem Geld in Form von Entschädigungszahlungen, mit Informationen an die Bevölkerung hält man sich zurück. Gleichzeitig ruiniert man dadurch mehr oder weniger das wichtigste Kapital, welches dieser Lebensraum aufzuwarten hat: eine noch halbwegs intakte Landschaft, die man auch als „unberührte Natur“ (Waldviertel Tourismus) entsprechend bewirbt. Welch ein Wahnsinn!
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Betrieben wird eine Interessenpolitik der kleinen Schritte, bei welcher letztendlich die Bevölkerung vor vollendete Tatsachen gestellt werden soll. Übrig bleibt dabei der Bürger, der so gerne in Wahlzeiten hofierte Souverän. Er wird hinters Licht geführt und getäuscht. Seine Meinung bleibt unberücksichtigt.
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So bereitet man erfolgreich den Nährboden für das, was zahlreiche Politiker in Sonntagsreden so gerne zu bekämpfen vorgaukeln: die endgültige Verärgerung der Bürger, deren Abwendung von demokratischen Gepflogenheiten und letztlich auch ihre Empfänglichkeit für autokratisch und rechts gesinnte Schnelllöser.
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Gerhard Kohlmaier, 28.10.2025
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