Woko vom 21.9.: Wir brauchen ein neues Steuersystem. Ratschläge an den neuen Finanzminister. Teil 3 |
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Wir brauchen ein neues Steuersystem. Ratschläge an den neuen Finanzminister. Teil 3
Nun hat der ÖGB sein Steuerkonzept vorgelegt, und das mit Zustimmung der ÖVP-Gewerkschafter. Aber gleichzeitig hat der ÖVP-ÖAAB ein völlig anderes Modell vorgelegt. In der politischen Praxis dürfte die Zustimmung der christlichen Gewerkschafter also nicht viel wert sein. Sei es, wie es ist, aber immerhin gibt es zwei Vorschläge, zu denen man Stellung nehmen kann.
Der ÖGB legt ein Modell mit mehreren Steuerstufen vor, u.a. um die kalte Progression abzufedern. Dieses Phänomen wird man allerdings auch durch mehrere Steuerstufen nicht los. Die Forderung, die Regierung müsse die Steuertarife erst dann an die Inflation anpassen, wenn die Teuerung 5% erreicht habe, bedeutet schlichtweg das teilweise Festhalten an dieser Arbeitnehmergeldquelle für den Finanzminister. Nur eine jährliche Tarifanpassung (Das sollte in Zeiten der elektronischen Datenverarbeitung kein Problem mehr sein) kann diese Vernichtungsmaschinerie von Lohn- bzw. Gehaltserhöhungen tatsächlich verhindern. Eine andere Möglichkeit wäre eineVereinbarung zwischen den Sozialpartnern und kollektivvertragliche Regelungen, dass künftige Lohn- und Gehaltsverhandlungen prinzipiell nicht mehr unter der Inflationsrate plus dem Anteil am Wirtschaftswachstum abgeschlossen werden dürfen. Beides kann ich dem vorliegenden ÖGB-Entwurf nicht entnehmen.
Obwohl der vorgeschlagene Tarifverlauf aus meiner Sicht einen Fortschritt im Vergleich zum derzeitigen bedeutet, führt er vor allem im Bereich der niedrigen und mittleren Einkommen zu einem noch steileren Gesamtbelastungsanstieg als bisher. Der Grund dafür ist die Höchstbeitragsgrundlage bei den Sozialversicherungsbeiträgen, die ab einem Jahresgehalt von € 57.600.- nicht mehr steigen. Eine spürbare Steuerprogression sollte jedoch im obersten Drittel stattfinden, nicht aber in der Mitte der Steuerbelastungskurve. Daher führt auch an einer Änderung der Sozialversicherungsbeiträge kein Weg vorbei, will man das Steuersystem insgesamt gerechter gestalten. Zu überlegen und durchzurechnen wäre also, wie man die Höhe der Sozialbeiträge neu staffelt - also im unteren Einkommensbereich entlastet, im oberen die Beiträge kontinuierlich anhebt - sodass die Maßnahmen in der Summe keine negativen Auswirkungen auf die Lohnnebenkosten haben.
Besser wäre es ohnedies, die Sozialbeiträge der Dienstgeber nicht mehr nach der Lohnsumme, sondern endlich nach der Wertschöpfung zu berechnen. Das würde arbeitsintensive bzw. personalintensive Wirtschaftsbereiche deutlich entlasten und einen Gegentrend zur Gewinnerhöhung durch Rationalisierung bzw. durch Personalabbau schaffen. So könnten Betriebe, die ihre Mitarbeiter halten, belohnt werden und der Staat könnte sich andererseits enorme Beträge an Arbeitslosenunterstützung ersparen. Gerade in Zeiten, wo die Mechanisierung in alle Bereiche des Wirtschaftslebens vorgedrungen ist, von den Banken, über die Flughäfen bis hin zur Warenbesorgung über das Internet und die Kunden gleichsam selbst die Dienstleistungen erbringen, die früher von Unternehmen geleistet wurden, hat die Besteuerung nach der Lohnsumme längst ausgedient.
Einkommenssteuerpflichtig sind aber nicht nur die Lohn- und Gehaltsbezieher, sondern auch alle Selbständigen und all jene, die ihre Einkünfte aus Betrieben, aus Kapitalvermögen, aus Vermietung, Verpachtung usw. beziehen. Auch ihre Einkünfte sollten bis zu einem Betrag von € 80 000.- (ÖGB-Modell) jährlich den Lohnsteuerstufen gemäß versteuert werden. Was darüber liegt, sollte wiederum gestaffelt werden, beispielsweise zwischen € 80.000.- und 120.000.- mit einem Steuersatz von 55%, zwischen € 120 000.- und 150 000.- mit 60%, zwischen € 150.000.- und 300.000.- mit 70% und über € 300.000.- mit 80%. Selbstverständlich nach Abzug ihrer Investitionen.
Auf diese Art und Weise wäre dem Steuermodell auch eine Vermögenszuwachssteuer hinzugefügt, mit der man die Reform finanzieren könnte.
Die Idee, die Reform über Strukturmaßnahmen (ÖAAB-Steuermodell) zu finanzieren, halte ich für schlicht unredlich. Denn einerseits sind es gerade diese Strukturen, welche die Profiteure des Systems mit allen Mitteln verteidigen werden - und das, so lange die Mehrheit der Bevölkerung nicht dagegen aufsteht - mit Erfolg, andererseits wirken Strukturmaßnahmen nicht sofort, sondern irgendwann. Abgesehen davon, dass das ÖAAB-Modell die Umverteilung der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung von unten nach oben noch mehr begünstigen würde als das bisherige.
Weil Steuern zum Steuern da sind, sollte man sich aber nicht nur mit einer Reform der Lohnsteuer beschäftigen, sondern insbesondere mit ökologischen Steuern, die eine stark lenkende Wirkung haben. Darüber im 4. Teil meiner Ausführungen. (Gerhard Kohlmaier)
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Ergebnis der Umfrage zur Lohnsteuersenkung |
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Bei der Steuerini-Umfrage zur Lohnsteuersenkung sprachen sich 63% vorbehaltlos für eine solche aus, 33% wollten vorher wissen, wie die Finanzierung aussehen soll, und 3% zeigten sich unschlüssig bzw. lehnten eine Steuersenkung ab. |
Woko vom 14.9.: Wir brauchen ein neues Steuersystem. Ratschläge an den neuen Finanzminister. Teil 2 |
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Er bringt es auf den Punkt, der neue Finanzminister Schelling, wenn er im Kurier- Interview vom 13.9. ganz offen zugibt, dass er sein Vermögen nicht mehr in eine Stiftung geben würde, weil die wesentlichen Vorteile inzwischen aufgehoben seien. Was Schelling mit „Vorteilen“ meint ist nichts anderes als die steuerliche Bevorzugung von größerem Vermögen oder anders die Legalisierung der steuerlichen Minderleistung von vermögenden Personen.
Tatsächlich wurden die Steuersätze für Stiftungen im österreichischen Stiftungsrecht nach seiner Einführung durch F. Lacina mehrfach angehoben, allerdings sind Stiftungen nach wie vor gegenüber Kapitalgesellschaften begünstigt. Und schließlich bieten Stiftungen nach wie vor noch ein ganz besonderes Steuerzuckerl: Beim Verkauf von Vermögensanteilen entfällt die Steuer im Fall von anderen Beteiligungen gänzlich. Alleine dadurch entgehen dem österreichischen Staat jährlich zahlreiche Steuermillionen.
Herr Schelling hätte also, wenn ihm die steuerliche Begünstigung durch das Stiftungsrecht nicht ausreicht, nur mehr die Möglichkeit nach einer anderen Form der Steuerbegünstigung zu suchen, die zahlreichen Steuerschlupflöcher für Vermögende zu durchforsten oder aber sein Vermögen so zu besteuern, wie es die Mehrzahl aller Österreicher macht. Die Voraussetzungen dafür, dass letzteres eine Selbstverständlichkeit für alle Bürger sein soll, kann er nun schaffen. Ein erster Ansatz dazu wäre die vollständige Abschaffung des Stiftungsrechtes und die Besteuerung der Erlöse des darin geparkten Vermögens nach dem Einkommenssteuergesetz.
Die Diskussion über eine Besteuerung von Vermögen dreht sich derzeit im Wesentlichen um eine Besteuerung des Vermögenszuwachses, nicht aber um eine Besteuerung vorhandenen Vermögens, also der Vermögensmasse. Gerade diese ist es allerdings, die einer höheren Besteuerung zuzuführen ist. Denn diese Vermögensmassen konnten nur dadurch erzielt werden, weil sie sich bisher im Wesentlichen erfolgreich einer Besteuerung entziehen konnten. Die etablierte Politik hat den Vermögenden durch ihre Steuergesetzgebung die Möglichkeit dazu geboten.
Vermögen setzt sich zusammen aus Sach- bzw. Realvermögen und Finanzvermögen. Dass diese Vermögensverteilung eine exorbitante Ungleichverteilung innerhalb unserer Volkswirtschaft beinhaltet, pfeifen seit Jahren die Spatzen vom Dach. Ebenso ist es eine Pinsenweisheit, dass die Vermögenden anteilsmäßig zum Gesamtsteueraufkommen immer weniger beitragen und dieses hauptsächlich von den lohn- und gehaltsabhängigen Arbeitnehmern finanziert wird.
So gibt es in Österreich seit 2008 keine Erbschafts- oder Vermögenssteuer mehr. Wohl aber fällt eine Grunderwerbssteuer von 3,5% bzw. 2% (bei nahen Angehörigen) an, bemessen nach dem Einheitswert der Liegenschaft. Diese Bemessung der Grunderwerbssteuer ist auf Grund eines Urteils des Verfassungsgerichtshofs bis Mitte des Jahres neu zu regeln, ebenso die der Grundsteuer.
Die Besteuerung der Vermögenssubstanz auf der Basis einer Grundsteuer (also einer jährlichen Abgabe an die Gemeinden) zu berechnen, führt in eine nicht unproblematische Richtung, obwohl auch aus Sicht der Steuerinitiative eine Überarbeitung in Richtung einer Änderung der Einheitswertebesteuerung notwendig ist. Allerdings sollen die erzielten Steuereinnahmen nach wie vor bei den Gemeinden bleiben und nicht zum Bund hin umgeschichtet werden. Mit einer Erhöhung der Einheitswerte und einer dementsprechenden Erhöhung der daran angepassten Grundsteuer ist auf Grund des Urteils des Verfassungsgerichtshofs ohnehin zu rechnen. Befreiungen von der Grundsteuer für Betriebe oder die Berechnung derselben in der Landwirtschaft sind hier tatsächlich zu überdenken und neu zu gestalten.
Die Grunderwerbssteuer bietet jedoch mehrere Möglichkeiten Eingriffe in die Vermögenssubstanz vorzunehmen, wenn man schon nicht an eine Wiedereinführung der Erbschafts- und Vermögenssteuer denkt.
Denkbar wäre beispielsweise folgende Vorgangsweise:
- Beibehaltung des 2%-Satzes für den Erwerb von Liegenschaften (nur bei Angehörigen) bis zu einer Höhe von € 500 000.- (darüber hinaus von 3,5%)
- Besteuerung des Erwerbs von Liegenschaften (keine Angehörigen) bis zu € 1000 000.- mit 3,5%, darüber hinaus 5%
- Beim Erwerb von zusätzlichen Liegenschaften hängt der Steuersatz von den bereits getätigten Erwerb ab. Hat also z.B. jemand bereits eine Liegenschaft um € 1000 000.- erworben, dann beträgt der Steuersatz für den nächsten Kauf 5%
- Berechnung von der Gegenleistung, also vom tatsächlichen Wert, und nicht vom Einheitswert für alle Liegenschaften
- Ausnahmeregelungen für den Erwerb von Liegenschaften durch den Bund, die Länder oder die Gemeinden braucht es nicht mehr zu geben, weil diese Aufwendungen ohnedies von der Allgemeinheit getragen werden.
- Im Bereich der Land- und Forstwirtschaft sind die Steuersätze zusätzlich zum Wert auch vom zu erwartenden Ertrag der Liegenschaft abhängig zu machen und dementsprechend neu festzusetzen.
Ob die Grunderwerbssteuer wie bisher bei den Gemeinden bleibt, hängt davon ab, in welcher Weise man den Finanzausgleich neu ordnet. Auf jeden Fall kann man dadurch jedoch Vermögenssubstanz besteuern und einen Beitrag zu einer gerechteren Verteilung der Steuerbelastung leisten.
Mit der Besteuerung von Finanz- und Geldvermögen beschäftige ich mich im 3. Teil meiner Vorschläge zu einer Steuerreform. (Gerhard Kohlmaier)
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Reiterer über die Piketty-Hype |
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Der Sozialwissenschaftler Albert F. Reiterer gibt eine Zusammenfassung von Pikettys Buch "Das Kapital im 21. Jahrhundert", welches erst im Oktober 2014 auf Deutsch erscheinen wird: Unter "Interessante Artikel" |
Wochenkommentar vom 7.9.2014: Wir brauchen ein neues Steuersystem. Ratschläge an den neuen Finanzminister. Teil 1 |
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Unser Steuersystem gehört grundlegend reformiert. Die angedachte Lohnsteuersenkung ist nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Diesen Nachweis zu erbringen und Vorschläge zu einer Veränderung zu unterbreiten, dienen die nächsten Wochenkommentare der Steuerinitiative.
Der neue Finanzminister Schelling hat nicht Unrecht, wenn er befürchtet, die von der SPÖ propagierte Millionärssteuer würde am Ende der Mittelstand bezahlen (Standard, 3.9.2014), allerdings inkludiert seine Sichtweise, dass er bereits zu Beginn seiner Amtsperiode eine Änderung gerade dieses von SPÖ und ÖVP über Jahrzehnte praktizierte Steuersystem ausschließt.
Denn es ist primär notwendig, die Struktur dieses Steuersystems zu verändern, und zwar nicht nur deshalb, um eine Entlastung des Faktors Arbeit im Vergleich zu Einkünften aus Kapital zu erzielen. Wir brauchen ein strukturell anderes Steuersystem vor allem, um die in den letzten Jahrzehnten von den Regierungen verursachte verheerende Verteilung von Einkommen und Vermögen mit all ihren sozial und gesellschaftlich schädlichen Wirkungen zu beenden. Eine Millionärssteuer oder eine Vermögenssteuer zahlt eben nur dann der Mittelstand, wenn das System es ermöglicht.
Steuern sind zum Steuern da und die Kunst dieses Steuerns darf einerseits die Frage der Einkommens- und Kapitalverteilung nicht außer acht lassen, andererseits muss die steuernde Wirkung auf die Erfordernisse eines sozialen und demokratischen Gemeinschaftswesens Bedacht nehmen. Dazu ein konkreter Vorschlag:
Die Diskussion über eine Besteuerung von Reichen bzw. von Vermögen ist zunächst unter dem Blickwinkel zu führen, wie und unter welchen Bedingungen dieser Reichtum überhaupt entsteht und ob nicht schon diesem Entstehungsprozess Einhalt zu gebieten ist. Denn durch Lohn oder Gehalt ist es selbst im 21. Jahrhundert unmöglich, große Vermögen anzuhäufen. Vielmehr enthalten die hohen Gehälter und Spitzeneinkommen immer schon einen gehörigen Anteil der durch Arbeit erzielten Gewinne und werden somit der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung entzogen, bevor wir überhaupt über eine Besteuerung derselben diskutieren.
Wenn heute ein Manager eines Betriebes 2,4 Millionen Jahresgehalt bezieht, dann käme er bei einer 40-Stunden-Woche und nach Abzug eines 6-wöchigen Urlaubs auf einen Nettostundenlohn von € 1250.- Dieser Betrag ist so absurd, dass er nur zustande kommen kann, wenn er eben bereits Abschöpfungen der von allen Angestellten des Betriebes erzielten Wertschöpfung enthält.
Die Umverteilung von erzielter Wertschöpfung nach oben beginnt also bereits beim Abzweigen von enormen Teilen derselben, die erst dadurch zu Vermögen werden. Diese Vermögen werden sodann statt steuerlich „bestraft“ durch unser Steuersystem geschützt und können mittels Spekulationen auf den Finanzmärkten noch vermehrt werden.
Der von unseren Parteien so häufig strapazierte Vergleich des Kapitals mit einem scheuen Reh beruht somit auf einer systemimmanenten Problematik, der es gegenzusteuern gilt, indem man Spitzengehälter und Spitzeneinkommen begrenzt. Damit dürften sich selbst Aktionäre eines Unternehmens anfreunden können, werden dem Unternehmen dadurch nicht unwesentliche Gewinnanteile entzogen, die ökonomisch sinnvoller als Wiederinvestition in den Wirtschaftskreislauf als im Sinne von privater Vermögensbildung anzulegen wären. Dort wo so eine Begrenzung nicht geschieht, ist sowohl bei Gehältern als auch bei anderen Zuwendungen eines Betriebes, die über diese festgelegte Begrenzung hinausgehen, ein Spitzensteuersatz von 100% anzulegen. Ein nebenbei nicht unwesentlicher Effekt einer solchen Politik wäre der Umstand, dass die Zentralbanken nicht Geld zu schaffen bräuchten, um dieses in die realen Wirtschaftskreisläufe pumpen zu wollen, wenn die Politik garantiert, dass die dort erzielten Wertschöpfungen auch dort bleiben. Die enormen Geldbeträge der Zentralbanken für diese Maßnahme verfehlten und verfehlen ihr Ziel nicht zuletzt deshalb, weil sie nur zu einer weiteren Umverteilung nach oben führen, die letztlich wiederum von allen Steuerpflichtigen zu bezahlen sein wird.
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Aber auch andere Einkommen, die z.B. aus Immobilienvermietung oder Verpachtung resultieren, gehören - falls sie nicht wieder in die reale Wirtschaft fließen - ab einem gewissen Freibetrag zu 100% besteuert.
Auf diese Art und Weise kann der neue Finanzminister beispielsweise Kapital in der Realwirtschaft halten, die Besteuerung von zumindest zukünftig erzielten Vermögen muss sich an den skizzierten Grundsätzen orientieren. Von der Besteuerung von bereits vorhandenem Vermögen handelt mein nächster Wochenkommentar. (Gerhard Kohlmaier)
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