Woko vom 21.12.2014: Gewerkschaft schlägt Kürzung der Unterrichtszeit vor, um Neue Reifeprüfung zu „retten“! Drucken E-Mail


Ich schätze die Arbeit des AHS-Gewerkschaftsvorsitzenden Quin im Wesentlichen. Aber mit seiner jüngsten Entscheidung hat er der Gewerkschaftsbewegung und der Zukunft unseres Bildungssystems keinen guten Dienst erwiesen.

Die Bundesreifeprüfungskommission hat sich auf Grund eines Vorschlags der Gewerkschaft darauf geeinigt, die Vorbereitungszeit für die Kandidaten auf die neue Reifeprüfung doch auszudehnen. Ein Erfolg?

Zumindest einer für die Ministerin, die sich bisher beharrlich geweigert hat, die Vorbereitungsstunden von 4 auf das bisherige Ausmaß von 8 (Nebenfächern) bzw. 12 oder 16 (Hauptfächer) - abhängig von der gehaltenen Wochenstundenanzahl in den Fächern - aufzustocken. Zu teuer, da die Reifeprüfung bekanntermaßen nicht Bestandteil des Unterrichts ist und daher die damit verbundenen Arbeitszeiten von Lehrern (Vorbereitungszeiten der Kandidaten, Prüfungen) extra zu vergüten sind, aber auch nicht notwendig, argumentierte die Ministerin.

Nun aber ist auf Vorschlag und mit Zustimmung der Gewerkschaft alles eitel Wonne. Die Regelunterrichtszeit wird in den 8. Klassen um ca. 10 Tage gekürzt, entgegen den Vorgaben des Schulzeitgesetzes, nach denen der Unterricht für die 8. Klassen mit dem Tag vor Beginn der Klausurprüfungen beginnt. Weniger Unterricht also, und es mutet eigenartig an, dass sich die Empörung darüber in Grenzen hält, wenn man bedenkt, welche Anstrengungen in den letzten Jahren unternommen wurden, Reduktionen der Unterrichtszeit hintanzuhalten.

Der wesentliche Vorteil dieses so genannten „Kompromisses“ ist offensichtlich ein zweifacher: Die Betreuungszeit der Reifeprüfungskandidaten fällt dadurch in die normale Unterrichtszeit und es fallen keine höheren Kosten für das Ministerium an.

Wenn der AHS-Gewerkschaftsvorsitzende Quin seine Zustimmung zu dieser Vorgangsweise u.a. damit erläutert, dass es in Hinblick auf die bevorstehende Reifeprüfung 2015 „schön langsam“ etwas spät werde, um das Gehaltsgesetz zu ändern (Pragmatismus, http://quinecke.wordpress.com/), so bereitet das beim Schulzeitgesetz keinerlei Probleme. Die Schüler sind dann eben vom Normalunterricht „gerechtfertigt entschuldigt“. So einfach ist das mit einer „Rechtfertigung“, wenn es um die Verhinderung von Qualität und Kosten in unserem Schulsystem geht.

Es ist verständlich, dass sowohl Eltern- als auch Schülervertreter dieser Vorgangsweise zustimmen, denn aus ihrer Sicht ist die ständige Unsicherheit darüber, wie die neue Reifeprüfung letztlich ablaufen wird, nahezu unerträglich. Aber immerhin beharrt der Bundesschulsprecher auf seiner Forderung nach Aufstockung der Vorbereitungsstunden.

Dass jedoch das Unterrichtsministerium selbst mit dieser Vorgangsweise die Qualität unseres Schulwesens ein weiteres Mal mit Füßen tritt, ist mehr als bedenklich, ebenso das Einverständnis des Direktorenverbandes und ganz besonders das der Gewerkschaft, von der dieser problematische Lösungsvorschlag noch dazu stammt und die sich dadurch zum Erfüllungsgehilfen eines Ministeriums macht, welches bei der neuen Reifeprüfung von einem Fettnäpfchen ins andere tritt.

Eine Regierung, die Unmengen von Steuergeld für die Rettung von Banken und die Absicherung von Spekulanten ausgibt, nicht aber für die Zukunft der Jugendlichen und die Qualität von deren Ausbildung, kann von einer Standesvertretung der Lehrer nicht auch noch unterstützt werden. In diesem Sinne ist der Quinsche Pragmatismus, dem der Vorsitzende im Zusammenhang mit seiner Entscheidung das Wort redet, aus gewerkschaftlicher Sicht vollkommen unverständlich.

Gerhard Kohlmaier, Vorsitzender der Personalvertretung und Obmann des Gewerkschaftlichen Betriebsausschusses am Öffentlichen Schottengymnasium in Wien