Frieden schaffen - aber wie? Gastkommentar |
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FRIEDENÂ SCHAFFEN - ABERÂ WIE ?
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In diesen Zeiten erinnern wir uns an den Zweiten Weltkrieg und möchten einen dritten verhindern. Diese Erinnerung kommt aus guten Gründen : weil heute die Situation ähnlich wie in den Dreißigerjahren ist, kann man eine ähnliche Entwicklung befürchten.
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Damals waren die USA und Großbritannien weltweit die stärksten, Nazi-Deutschland und Japan die aggressivsten Mächte. Obwohl auf lange Sicht militärisch und wirtschaftlich unterlegen, wollten Japan und Deutschland mit Hilfe kurzzeitiger Rüstungsüberlegenheit und der Strategie des Blitzkrieges das Kräfteverhältnis zu ihren Gunsten ändern. Der Zweite Weltkrieg hat in Europa mit dem Überfall von Hitler auf Polen am 1. September 1939 begonnen und Stalin schloss sich dem Überfall am 18. September 1939 an. Sie teilten sich die Beute.
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Heute sind die USA weltweit die stärkste militärische und wirtschaftliche Macht, aber China holt rasch auf. Russland ist momentan ein militärischer Koloss, wirtschaftlich aber nur eine mittlere Macht.
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Die Situation ist nicht gleich, aber sehr ähnlich wie in den Dreißiger-Jahren. Diese Ähnlichkeit ergibt sich aus ähnlichen Ausgangsbedingungen. Denn China und Russland sind nun die aggressivsten, wenn auch nicht die stärksten Weltmächte. Sie wollen das Kräfteverhältnis unbedingt weiter zu ihren Gunsten ändern, denn der Rivale USA wird langfristig schwächer. Unter Verletzung des Völkerrechtes und der Normen der UNO marschieren beide mit fast allen Mitteln vorwärts. Putin ist deshalb sogar international zur Verhaftung ausgeschrieben. Russland hat die Ukraine überfallen und China bedrängt die Philippinen, Vietnam, Taiwan und andere Staaten im Pazifik. Die Welt treibt auf einen neuen großen Krieg zu ! Wie kann das verhindert werden?
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Die wichtigste Linie der Verteidigung des Friedens ist weltweit die Aufrechterhaltung der Souveränität aller Staaten. Kein Land darf ein anderes überfallen - das gilt übrigens auch für den Nahen Osten. Geschieht es doch, dann müssen die Überfallenen mit allen, auch mit militärischen Mitteln unterstützt werden - ganz wie im Zweiten Weltkrieg. Auch Hitler konnte nicht mit friedlicher Politik gestoppt werden, dazu waren Waffen nötig.
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Bei vielen friedensbewegten Menschen schafft diese Einsicht Unbehagen. Man will will nicht aufrüsten und nicht kämpfen. Aber wenn ein Aggressor militärisch los legt, dann ist eine Kapitulation keine Lösung. Sie würde nur das Streben nach weiteren militärischen Einsätzen des Aggressors steigern. Der Erfolg würde ihn bestärken - wie im Zweiten Weltkrieg.
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Die Diplomatie darf trotzdem nicht still halten. Im Gegenteil, die Einsicht, der Krieg ist für die Menschen die schlechteste aller Lösungen, sollte ihr neue Wirksamkeit verleihen. Gerade mit politisch-diplomatischen Mitteln kann der Gegensatz zwischen den großen Mächten gemildert werden. Auch sie haben manchmal berechtigte Interessen.
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Die Militarisierung des Weltraums, Cyberkrieg aller Methoden, neue Waffensysteme, gesicherte atomare Zweitschlagsfähigkeit, strategische Sicherheit - es gibt genug Themen für Entspannung.
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Wenn Kriege drohen, kommt bei uns die Sehnsucht nach Neutralität und eigener Abrüstung auf. Aber führen große Mächte einen Krieg, dann ist es mit der Neutralität oft schnell aus. Die von Hitler in Europa überfallenen neutralen Staaten haben ihre leidvollen Erfahrungen gemacht. Die Schweiz blieb damals unbesetzt. Erstens, weil sie auch für die Nazis als Aufbewahrungsort ihrer geraubten Vermögen nützlich war. Und zweitens, weil sie zur ernsthaften Verteidigung entschlossen war.
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So manche Anhänger der eigenen Abrüstung betrachten die Lage nur mit einem Auge. Sie ignorieren die russische Rüstung heute nicht. Sie bemerken die Hilfslieferungen an iranischen Drohnen und nordkoreanischen Artilleriegeschossen nicht, entrüsten sich aber über westliche Waffenlieferungen an die Ukraine. Hätten sie beide Augen offen, dann würden sie sich fragen :Mit welcher Berechtigung hat Russland die weitaus kleinere und schwächere Ukraine überfallen ? Was hat der Ukraine ihre atomare Abrüstung und die russischen Sicherheitsgarantien in Bezug auf ihre Souveränität und Unversehrtheit ihrer Grenzen im Budapester Memorandum von 1994 gebracht ? Warum gelten die russischen Vorausbedingungen für einen echten Friedensschluss mit der Ukraine nicht auch für Russland - nämlich weitestgehende Verkleinerung der militärischen Mittel und neutrales Verhalten?
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Wer mit offenen Augen, ohne Scheuklappen, die Welt betrachtet, der kann sehen : Militärisch überfallene Staaten dürfen sich auch militärisch wehren. Man darf ihnen auch militärisch zu Hilfe kommen. Die Forderung nach Abrüstung trifft in erster Linie den Stärkeren und nicht den Schwächeren - sonst ist sie nur ein anderes Wort für Kapitulation. Sich zu rüsten kann auch einen Krieg verhindern.
Sich militärisch zu wehren kann auch friedensfördernd sein - wenn es einen Aggressor behindert. Diplomatie, politisches Handeln und miteinander reden dürfen auch im Krieg nicht aufhören. Denn der Krieg ist von allen gesellschaftlichen Bedingungen für die Menschen die ungünstigste. Aber manchmal wird er einem vom Aggressor aufgezwungen. Zu kapitulieren, das ist manchmal unausweichlich, manchmal vergrößert es jedoch das Leiden. Die Entscheidung muß das betroffene Land selbst tätigen. Aber eine Kapitulation hat noch nie einen Aggressor gestoppt. In der Regel ermutigt sie ihn zu weiteren Aggressionen.
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Wien, Mai 2025 Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â
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Neues Thema: Eine politische Neuorientierung tut not |
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Eine politische Neuorientierung tut not
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In Österreich ist die Kanzlerschaft einer rechtsextremen Partei fürs Erste abgewendet. Für wie lange wird in erster Linie abhängig sein von den anderen Parteien und deren Bereitschaft, einen notwendigen politischen Kurswechsel in etlichen gesellschaftspolitischen Bereichen zu vollziehen. Auch um eine längst überfällige Entwicklung einer aufklärenden und erhellenden, die Bürger überzeugenden politische Strategie gegen eine populistische, von rechtsradikalen Gedankengut immer wieder infiltrierten FPÖ, werden die Parteien nicht herumkommen. Dabei wird es nicht unwesentlich sein, den jahrelang eingeschlagenen Kurs einer propagierten „politischen Mitte“, welcher tendenziell die Ränder nach rechts immer mehr und immer öfter aufgeweicht hat, zu hinterfragen und neu zu definieren. Eine Ausgrenzung von rechtsradikalen, die demokratischen Gepflogenheiten unterwandernden Positionen wird dabei nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn es einerseits gelingt aufzuzeigen, dass diese einer vernünftigen, sachlichen sowie zukunftsfähigen Handlungsweise im Sinne des demokratischen Gemeinwohls nicht zu entsprechen vermögen. Andererseits müssen die politischen Antworten auf durchaus vorhandene Problemlagen zum Teil auch gemeinsam entwickelt und für die Bevölkerung in ihrer Sinnhaftigkeit nachvollziehbar sein.
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Wie in Österreich so hat auch in Deutschland und in anderen europäischen Ländern das selbst verschuldete fehlende Vertrauen vieler Bürger in die Lösungskompetenz etablierter Parteien die rechtsextremen Parteien gestärkt. Dieses auf die beschriebene Art und Weise zurückzugewinnen, muss das Gebot der Stunde sein, denn sonst werden die vielfach propagierten „Mauern“ den Angriffen dieser rechten Parteien auf unsere Demokratien nicht standhalten.
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Auf höherer und internationaler politischer Ebene wird Europa gut beraten sein, den vom amerikanischen Präsidenten Trump über die Interessen der Ukraine und Europäer hinweg eingeschlagenen amerikanisch-russischen „Friedenskurs“, welcher auch sowohl von rechten als auch von linken politischen Rändern in unseren Staaten Unterstützung erfährt, gemeinsam europäische Grenzen zu setzen. Sehen die Rechten in der derzeitigen Entwicklung den häufig von ihnen eingeschlagenen pro-russischen Kurs bestätigt, so verkennen und unterschätzen die Linken die veränderten geopolitischen Machtverhältnisse und die damit verbundenen Interessen der Großmächte. Eine Friedenslösung für die Ukraine ist jedoch ohne die Einbindung dieser und der europäischen Staaten nicht nur undenkbar, sie birgt zudem die Gefahr in sich, einer permanenten Sicherheitsbedrohung für Europa Tür und Tor zu öffnen.
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Gerhard Kohlmaier, 14.2.2025 www.steuerini.at
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Neues Thema: Die neuen Oligarchen - eine letzte Warnung für die Demokratien |
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Die neuen Oligarchen - eine letzte Warnung für die Demokratien
Über Jahre hindurch haben die westlichen Politiker die Macht der russischen Oligarchen und deren Einfluss auf das politische Geschehen zu Recht kritisiert. Mordachow, Usmanow, Prigoschin, Abramovitsch, Deripaska u.v.a. hatten es unter dem Putin-Vorgänger Jelzin, welcher in den 90er-Jahren eine Abkehr vom Kommunismus durch eine Privatisierungswelle des Staates vollziehen wollte, zu ungeheurem Reichtum gebracht. Das Versprechen Jelzins, alle Bürger würden von dieser Privatisierungswelle profitieren, wurde nicht zuletzt durch kriminelle Machenschaften konterkariert: War in Sowjetzeiten der reichste Bürger etwa sechsmal so reich wie der ärmste, das Verhältnis betrug also 1:6, so war dieses bis zum Jahr 2000 auf 1: 250 0001) angestiegen. Es waren dann insbesondere die Steuergesetze und die Politik der westlichen Welt, die den neuen Superreichen dabei halfen, ihre dubiosen Gelder zu waschen, ihr Vermögen noch zu vermehren bzw. es zu verstecken. Die Folgen davon mussten die Europäer im Rahmen der Sanktionen gegen zahlreiche Oligarchen anlässlich des Angriffskrieges Putins gegen die Ukraine am eigenen Leib verspüren: der Zugriff auf viele dieser Vermögen ist rechtlich gar nicht möglich. Putin selbst, dem die zunehmende Macht seiner Verbündeten stets ein Dorn im Auge war, unterwarf deren Geschäftstätigkeiten schließlich seiner Alleinherrschaft, ersetzte sie durch getreue Gefolgsleute oder entledigte sich ihrer, wenn er es für notwendig hielt.
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Nun erleben wir in der westlichen Welt selbst den machtpolitischen Aufstieg einer Oligarchenkaste mit, welche sich anschickt, die Verhältnisse innerhalb der westlichen Demokratien auf den Kopf zu stellen. Musk, Zuckerberg, Gates, Bezos u.v.a. sind die Oligarchen des Westens, welche der Westen selbst groß gemacht hat und die er nun gleich Goethes Zauberlehrling nicht mehr los wird. Über Jahrzehnte hinweg sind sie durch eine falsche Wirtschafts- und Steuerpolitik der westlichen Demokratien zu ungeheurem Reichtum und zu politischer Macht gelangt, und nun schicken sie sich an, dieses System ihrer Erzeuger zu destabilisieren und zu zerstören.
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Ihr Interesse sind nicht demokratische, sondern autokratische Verhältnisse, in denen sie selbst die Kontrolle über das Geschehen haben und ihr Vermögen sowie ihre Macht noch weiter vergrößern können. Elon Musk, aber auch andere, exerzieren uns diesen eingeschlagenen Prozess täglich vor, nicht nur seit dem Amtsantritt des neuen amerikanischen Präsidenten Trump. Dazu bedienen sie sich einerseits einer von ihnen geschaffenen weltweiten Informations- bzw. Desinformationspolitik der von ihnen längst beherrschten digitalen Welt, der Monopolstellung in wesentlichen Bereichen der Marktwirtschaft, eines gefährlichen Rechtsruckes innerhalb der Staaten, andererseits aber auch der politischen Führungseliten selbst, die sie von sich abhängig gemacht haben und die, wollen sie politisch überleben, als ihre Vasallen agieren.
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Die Rechtswende in den europäischen Staaten, aber auch in den USA ist unübersehbar. Seine Nahrung folgt einem alten Rezept: Fremdenfeindlichkeit bis hin zum Rassismus, offene Systemkritik und gleichzeitiger Aufbau neuer Strukturen, Nationalismus als Allheilmittel der Probleme, imperialistisches Denken, Populismus gepaart mit Desinformation sowie die Verherrlichung von Führerpersönlichkeiten.
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Im Unterschied zu Putins faktischem Alleinherrschaftsanspruch sowie des russischen Rechtssystems, das es dem Diktator ermöglicht, die Macht seiner Oligarchen zu seinen Gunsten zu kanalisieren oder sich notfalls ihrer zu entledigen, ist eine solche Entmachtung in unseren westlichen Demokratien richtigerweise unvorstellbar. Demokratien können sich solcher Gefahren einer Selbstzerstörung nur auf der Basis von demokratischen Prozessen entledigen. Noch besteht die Möglichkeit dazu, denn noch befinden sich die rechten Demokratiezerstörer in Europa in einer Minderheit, ja sogar in Österreich, obwohl sie sich unter Mithilfe einer außer Rand und Band geratenen ÖVP anschicken, die Schalthebel der Macht zu erklimmen.
Gelingen kann das jedoch nur, wenn alle demokratischen Kräfte in Europa an einem gemeinsamen Strang ziehen, wenn die EU - nicht nur in Hinkunft den USA gegenüber, sondern auch gegenüber den einzelnen Mitgliedsstaaten - klare demokratiepolitische Linien vorgibt und selbst eine Politik betreibt, welche die Bürger nicht in die Fänge gefährlicher rechter Populisten und Zukunftsversprecher treibt.
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Zu diesen demokratiepolitischen Linien gehören eine bürgernahe transparente Politik, sowohl innerhalb der einzelnen Staaten als auch in der EU, die dringende Lösung anstehender Systemprobleme, die Brechung der Macht von Monopolen, aber auch eine Steuerpolitik, welche die gigantischen Vermögensansammlungen einiger Weniger zurückverteilt an die Mehrheit der Bürger. Spätestens seit der Machtübernahme der neuen westlichen Oligarchen in den USA müsste jedem demokratischen Politiker klar sein, wie unausweichlich diese Maßnahmen sind. Gelingt das, dann gibt es eine Chance, unsere Demokratien zu bewahren, bleibt die etablierte Politik weiterhin säumig, dann erwarten uns Verhältnisse wie in den 30er-Jahren.
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1) Bill Browder, „Red Notice: A true story of high finance, murder, and one’s man fight for justice“, New York (Simon & Schuster) 2015.
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Gerhard Kohlmaier, 22. Jänner 2025 |
WK: Die ÖVP - eine Gefahr für die Demokratie |
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Die ÖVP - eine Gefahr für die Demokratie
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Die Medien berichteten am 15. Jänner 2025 über die Aussagen von zwei FPÖ-Nationalratsabgeordneten, Harald Stefan und Markus Tschank, im Rahmen eines öffentlichen FPÖ-Stammtisches der FPÖ Simmering.
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Beide waren voll des Lobes für das Regime der Taliban in Afghanistan, einer radikalislamischen Terrororganisation, liebäugelten mit einem EU-Austritt, worauf der Wiener FPÖ-Vorsitzende Dominik Nepp auf die erfolgte Berichterstattung von diesem Treffen durch die Tageszeitung „DerStandard“ noch ein Schäuflein nachlegte, die Zeitung als „Scheißblatt“ bezeichnete und ankündigte, dass es in Zukunft nur mehr Presseförderung für „echte Qualitätsmedien“ geben werde. Und was „echt“ ist oder nicht, werde dann wohl die FPÖ bestimmen, nehme ich an.
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FPÖ-Generalsekretär Hafenecker meinte zu den Vorfällen, man könne aufgrund von „Äußerungen in vertrauter Runde niemanden einen Vorwurf machen“. Was kommt als Nächstes? Abschaffung der Demokratie, Anschluss an Russland, Hinrichtung von Kritikern? - Selbstverständlich nur von Abgeordneten der FPÖ in „vertrauten Runden“, die öffentlich zugänglich sind, geäußert. Das alles soll und kann es gemäß dieser Logik in Hinkunft geben.
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Der Aufschrei von allen Parteien war groß und durchaus gerechtfertigt, auf eine Reaktion der ÖVP, die Verhandlungen mit dieser demokratiegefährdenden FPÖ endlich zu beenden, warteten die Bürger allerdings vergeblich.
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Erinnerungen an die Machtergreifung Hitlers 1933 werden wach. Selbst nach dem Reichtagsbrand erhielt er bei Neuwahlen nur knapp 44% der Stimmen, allerdings verhalf ihm das durch Drohungen und Einschüchterungen seitens der SS und SA zustande gekommene „Ermächtigungsgesetz“ zur Alleinherrschaft. Die anderen Parteien werden sofort verboten, Gewerkschaften werden aufgelöst und kritische Beamte und Personen entlassen bzw. eingesperrt. Die Nationalkonservativen unter Reichspräsident Hindenburg und Vizekanzler Franz von Papen waren die Steigbügelhalter für diese uneingeschränkte Machtübernahme des Diktators Hitler. Ihr Gedanke, Hitler zähmen zu wollen, war gründlich misslungen.
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Offensichtlich halten Teile der ÖVP eine „Zähmung“ der FPÖ ebenfalls für möglich, obwohl sie nahezu tagtäglich durch demokratiegefährdende, menschenverachtende und rechtsextreme Äußerungen des zukünftigen Koalitionspartners eines Besseren belehrt sein müssten. Durch dieses Verhalten ist die ÖVP selbst eine Gefahr für die Demokratie geworden. |
A. Thema: Stockers Verantwortungsbewusstsein |
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Stockers Verantwortungsbewusstsein ist ein Affront gegen jeden verantwortungsbewussten Politiker sowie gegen die Bürger unseres Landes
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Anlässlich der Erläuterungen des neuen ÖVP-Parteiobmanns Stocker zu seiner Wendehalspolitik im Umgang mit der FPÖ bzw. deren Parteichef Kickl stellt sich die Frage nach der Verantwortung von Politikern für ihr Handeln, und zwar im konkreten Fall, aber auch darüber hinausgehend für politisches Tun allgemein.
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Nun, Stocker erklärt seinen Gesinnungswandel in Bezug auf den Parteivorsitzenden der FPÖ damit, dass Österreich in schwierigen Zeiten möglichst rasch eine Regierung bräuchte - im konkreten Fall eben eine unter dem FPÖ-Kanzler Kickl und der ÖVP, für welche Stocker den Vizekanzler abgeben würde. Woran lässt sich denn nun diese politische Verantwortung messen?
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Eine Möglichkeit, die politischen Verantwortung eines konkreten Tuns einschätzen zu können, bietet uns die utilitaristische Sichtweise, nach der es vor allem um die Folgen einer Handlung bzw. um deren Nutzen für das Allgemeinwohl geht. Diesbezüglich stehen Stockers Karten schlecht: Die Folgen einer Koalitionsregierung mit Kickl sind derzeit in vielen Bereichen nicht abzuschätzen. Ja, wir können davon ausgehen, dass Österreich dieses Mal keinerlei Sanktionen seitens der EU bevorstehen, wir können aber nicht davon ausgehen, dass uns bereits hinlänglich bekannte Akteure innerhalb der FPÖ dem Land schweren Schaden zuführen, wenn sie an der Regierung gelangen. Und darauf will Stocker, wie er stets betont, keinerlei Einfluss nehmen.
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Ob Stocker davon ausgehen kann, dass eine Regierungszusammenarbeit mit Kickl den empirischen Nachweis erbringen wird, dass diese Regierung für das Gemeinwohl aller Bürger im Staaten größtmöglichen Nutzen erbringen wird, muss ebenfalls bezweifelt werden, spaltet doch die FPÖ und ihr Vorsitzender die Bevölkerung des Landes schon seit geraumer Zeit in einem Besorgnis erregenden Ausmaß wie keine andere Partei.
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Eine andere Möglichkeit, politische Verantwortung dingfest zu machen, bietet uns die Gerechtigkeitstheorie eines John Rawls, welcher dieses verantwortungsbewusste Handeln daran festmacht, dass es dem Wohlergehen aller unter dem Grundsatz der Gerechtigkeit verpflichtet sei.
Seine „Fairness“-Theorie beinhaltet einerseits die größtmögliche Gleichheit aller und lässt andererseits Ungleichheiten nur insofern gelten, als dass sie die Chancengleichheit wahren und sich zum Vorteil aller Beteiligten auswirken müssen. Das wird nicht nur schwierig, es ist sogar unmöglich mit einer Partei, die immer wieder rassistisch auftritt, die stets bemüht ist, Ungleichheiten zu schaffen.
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Eine weitere Möglichkeit der Einschätzung von verantwortungsvollen politischem Handeln besteht in der Verallgemeinerungsfähigkeit dieses Handelns bzw. der Entscheidungen, die man trifft. Stocker sollte sich also gemäß dem Kategorischen Imperativ von Kant die Frage stellen, ob er davon ausgehen kann, dass sein Handeln zu einem allgemeinen Prinzip, zu einer allgemein gültigen Gesetzmäßigkeit erhoben werden kann. Sollte es also auch in Zukunft so sein, dass Regierungskoalitionen mit jenen Parteien bzw. Personen zu vereinbaren sind, welche man aus guten Gründen zuvor kategorisch abgelehnt hat? Wohl kaum, und diese Gesetzmäßigkeit würde wohl auch kein Bürger mittragen.
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Selbstverständlich gehört zum Wesen der politischen Verantwortung auch ein soziologischer und kommunikativer Aspekt. Es sollte also so sein, dass die Entscheidung, die man trifft, sich mehrheitlich in der Gesellschaft widerspiegelt, deren Werten entspricht, und dass diese auch auf der Grundlage eines Kommunikations- und Verstehensprozesses der Bevölkerung beruht.
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Derzeit entspricht die Entscheidung Stockers weder dem Mehrheitswillen der Bevölkerung, noch ist sie von einem Vertrauensverhältnis zwischen dem Parteiobmann der ÖVP und den Bürgern getragen, ja, dieses Vertrauen ist nicht einmal innerhalb der eigenen Partei gegeben.
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Wenn der Bundesparteiobmann der ÖVP daher seine Entscheidung, mit Herbert Kickl in Koalitionsgespräche einzusteigen und mit der FPÖ eine gemeinsame Regierung bilden zu wollen, mit seinem Verantwortungsbewusstsein für das Land und für die Bürger dieses Landes begründet, dann stellt er unter Beweis, dass er keine Ahnung davon hat, was Verantwortung eines Politikers bedeutet. Und offensichtlich ist ihm das auch gleichgültig.
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Gerhard Kohlmaier, 13.1.2025, www.steuerini.at |
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