Neues Aktuelles Thema vom 17.2.2013: An den Volksbedürfnissen vorbei! Drucken E-Mail

 


Vor über 13 Jahren, 1999, hat die „Steuerini“ damit begonnen, die Einführung einer Finanztransaktionssteuer (Tobin-Tax) zu fordern. Bald darauf hat auch ATTAC diese Forderung aufgenommen. Im Unterschied zu allen anderen Organisationen und Initiativen hat die Steuerinitiative bereits damals eine Volksabstimmung über eine grundlegende Änderung des Steuersystems gefordert und hält diese Forderung bis heute aufrecht.

Im Jahr 2000 scheiterte eine Abstimmung über die Besteuerung von Devisengeschäften im Europäischen Parlament knapp. Im November 2003 wurde auf dem europäischen Sozialforum in Paris der Beschluss gefasst, eine neue europäische Kampagne zur Einführung einer Devisentransaktionssteuer ins Leben zu rufen. Bald darauf begann die Diskussion darüber in mehreren europäischen Ländern, darunter auch in Österreich, wo SPÖ und GRÜNE im Parlament 2006 unter der Regierung Schüssel einen Antrag auf Einführung der Tobin-Tax einbrachten. Es folgte ein politisches Hick-Hack der Parteien in dieser Frage, bis schließlich 2009 im Ministerrat beschlossen wurde, für eine europaweite Finanztransaktionssteuer zu werben. Das Europäische Parlament sprach sich zwischen 2009 und 2012 ebenfalls mehrere Male für eine Einführung aus.

Nun gibt es einen EU-Vorschlag für die Einführung einer solchen Finanztransaktionssteuer, an dessen Umsetzung sich Deutschland und Frankreich, Österreich, Belgien, Estland, Griechenland, Italien, Spanien, Portugal, Slowakei, Slowenien und eventuell die Niederlande beteiligen wollen. Dieser Schritt ist aus der Sicht der Steuerinitiative zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber auch nicht mehr.

Eine Zügelung der Machenschaften der Finanzmärkte, d.h. die deutliche Einschränkung von hochspekulativen Finanzgeschäften - und das ist der eigentliche Sinn einer FTS - kann durch diesen Vorschlag nicht erreicht werden. Ganz im Gegenteil wurde beim Vorschlag Bedacht darauf genommen, die Finanzmärkte im Wesentlichen nicht zu erschüttern. So ist beispielsweise die Besteuerung von Staatsanleihen oder Devisengeschäften ausgenommen und ermöglicht dem Kapital die Flucht vor der Steuer in andere profitable Spekulationsbereiche. Devisentransaktionen machen alleine täglich weltweit über 2300 Mrd. Euro aus. Der Großteil davon ist spekulativer und kurzfristiger Art. Sie aus dem Konzept einer FTS auszunehmen, ist ein Kniefall vor dem Finanzkapital.

Auch eine Besteuerung von Aktiengeschäften mit 0,1%, aber nur eine äußerst geringfügige Besteuerung von Derivaten, also der Zockerei mit Termingeschäften und Swaps, mit 0,01% ist ein falsches Signal. Gerade bei den Derivaten, deren Anteil an den Finanztransaktionen bei über 90% liegt, ist ein deutlich höherer Steuersatz anzupeilen als bei der Besteuerung von Aktien. Hier würde alleine eine Besteuerung von 0,1% der an den Börsen durchgeführten Derivatspekulationen an die 90 Mrd. Euro erbringen, schließt man den OTC, also den Handel außerhalb der Börse mit ein, so steigt dieser Betrag auf über 202 Mrd. Dollar (Berechnungsbasis 2006, WIFO). Zudem wäre gerade bei diesen Finanzprodukten eine höhere Besteuerung sinnvoll.

Die seitens der herrschenden Politik stets beteuerte Angst davor, den Finanzplätzen Schaden zuzuführen, legt das eigentliche Dilemma einer Scheinpolitik offen, die trotz Finanzkrise und der Abkoppelung der Finanzwirtschaft von der Realwirtschaft an diesem kranken System festhält und das Finanzkapital weiterhin hofiert. Das Transaktionsvolumen in Europa übersteigt das europäische Gesamtbruttoinlandsprodukt der EU27 von 12.940.220 Mio Euro im Jahr 2012 (EUROSTAT) ca. um das 100-Fache, die aufgrund des EU-Vorschlags zu erwartenden Gesamteinnahmen aus der Steuer von ca. 30 Milliarden stellen daher kaum einen Ansatz zu einer Systemänderung dar.

Der seitens der EU-Kommission erstellte Vorschlag, die Steuerabgabe an den „Staatsbezug“ zu binden, um die Umgehungsmöglichkeiten für die Akteure einzuschränken, ist grundsätzlich zu begrüßen.

Insgesamt gesehen ist jedoch der EU-Vorschlag zur Einführung einer FTS in den elf teilnehmenden EU-Staaten aus der Sicht der Steuerinitiative zur Eindämmung der Diktatur des Finanzkapitals als ungeeignet zu betrachten und kann den ökonomischen Halbwahrheiten des Neoliberalismus nichts Entscheidendes entgegen setzen.

Mittelfristig ist daher am Konzept der Steuerinitiative festzuhalten, die Steuersysteme in den Ländern mittels Volksabstimmungen fundamental zu verändern und eine Um- bzw. Rückverteilung der gesellschaftlichen Wertschöpfung von oben nach unten zu erwirken. Langfristig gilt es neue Konzepte, welche Alternativen zum bestehenden Finanzsystem bieten, zu verfolgen und diesen zum Durchbruch zu verhelfen. Auf eines davon, entwickelt vom „Arbeitskreis zukunftsfähige Gesellschaft“, die „Wiener Wende“, möchte ich Sie an dieser Stelle aufmerksam machen: http://www.wienerwende.org Lebensqualität ist nicht von einem grenzenlosen Wachstum abhängig, welches es nicht geben kann.

Der EU-Vorschlag zur Einführung einer FTS ist ein weiterer Beleg dafür, dass aus den Reihen der herrschenden Politik mit keinen ernsthaften und nachhaltigen Vorschlägen zu einer Systemänderung zu rechnen ist, sondern dass neoliberale Politik nur auf Bürger- bzw. Wählerberuhigung abzielt, um die Diktatur des Geldes im Wesentlichen ungehindert fortsetzen zu können. Wir werden also weiterhin auf uns selbst, auf die mündigen BürgerInnen angewiesen sein, um mittels Volksabstimmungen Entscheidungen erzwingen zu können.

Volksbeschlüsse sind in letzter Zeit geradezu modern geworden, allerdings nicht deshalb, weil sie von den Regierungen ernst genommen werden. Innerhalb der EU hat sich gezeigt, dass man Referenden so lange wiederholen lässt, bis das gewünschte Ergebnis vorliegt. Erst dann erachtet man sie als bindend. In Österreich hat sich in letzter Zeit die Gepflogenheit durchgesetzt, die Bedeutung von Volksbefragungen ad absurdum zu führen, indem man dadurch Parteiinteressen zum Durchbruch verhilft und das Volk auf übelste Art mit Täuschungsmanövern von der wirklichen Problematik ablenkt. Oder aber man lässt das Volk wie anlässlich der Wiener Volksbefragung im März über Pseudofragen abstimmen und gaukelt ihm derart vor, es sei in die Entscheidungsfindung der herrschenden Politik eingebunden.

Volksabstimmungen sind ein hohes Gut der Demokratie. Will man verhindern, dass sie durch den Missbrauch der Parteien zur Bedeutungslosigkeit entarten, dann müssen sie aus dem Volk selbst entspringen, aus dessen Willen zur Veränderung und zur Gestaltung seiner Lebensbereiche. In diesem Sinne hält die Steuerinitiative nach wie vor an ihrem Vorschlag fest, sich Volksabstimmungen nicht mehr vom Interessenhandel im Parlament vorschreiben zu lassen, sondern selbst zu bestimmen und Volksabstimmungen von „unten“ anzustreben. Wir brauchen keine Erlaubnis von oben, um zu bestimmen, wie wir leben wollen, wir können im Elektronikzeitalter selbst Volksabstimmungen organisieren und durchführen. Damit können wir Druck auf die Parlamentsentscheidungen ausüben und den Bedürfnissen des Volkes zum Durchbruch verhelfen.

Mag. Gerhard Kohlmaier, 17.2.2013,  www.steuerini.at

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