Wochenkommentar vom 11.11.2012: Ein Aktionstag alleine reicht nicht aus! Drucken E-Mail

Die „Steuerinitiative“ unterstützt den Aktionstag des Europäischen Gewerkschaftsbundes am 14. November unter dem Motto „Für Arbeitsplätze und Solidarität in Europa. Nein zur Sparpolitik“, hält aber auch fest, dass gerade seitens der Gewerkschaften - vor allem in den wirtschaftlich noch besser dastehenden Staaten des Nordens - ein entschiedeneres Auftreten der einzelnen Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretungen gegenüber den Interessen des Kapitals und den Plänen der verschiedenen Regierungen notwendig ist.

Das „Bedauern der Schieflage“ im Verteilungssystem der gesellschaftlichen Wertschöpfung wird nun seit über 10 Jahren in regelmäßigen Abständen von Spitzengewerkschaftern sowie sozialdemokratischen und grünen Politikern als Aushängeschild ihres politischen Bewusstseins verwendet.

Aber nach wie vor liegt die Vermögensbesteuerung in Österreich um ca. 1,3% unter dem OECD-Durchschnitt, Österreich hat den zweithöchsten Eingangssteuersatz (Lohnsteuer) aller OECD-Staaten. Tatsache ist, dass die inflationsbereinigten Löhne unter dem Niveau vor 10 Jahren liegen, obwohl die Arbeitsproduktivität im selben Zeitraum um ca. 8% gestiegen ist.

Grund für diese anhaltende „Schieflage“ ist u.a. eine Strategie der Gewerkschaften, welche seit über 10 Jahren eine ideologische Grundausrichtung vermissen lässt und es beständig verabsäumt, eine neue ideologische Ausrichtung gemäß einer effektiven Arbeitnehmervertretung in einer globalisierten und vom Finanzkapital beherrschten Welt auf die Beine zu stellen. Im Gegenteil: In den wesentlichen Punkten wissen die Gewerkschaften dem neoliberalen Verständnis von Markt und Wirtschaft nichts entgegen zu setzen. Zudem sitzen Gewerkschaftsvertreter mitunter selbst in den Schaltzentralen der Macht und liebäugeln dort offen mit der neoliberalen Ideologie oder verhandeln wie beispielsweise im vergangenen Jahr im Öffentlichen Dienst Nulllohnrunden oder Lohnabschlüsse, welche als „Kompromiss der Sozialpartnerschaft“, welche es längst nicht mehr gibt, selbst dann noch als gewerkschaftlicher Erfolg ausgewiesen werden, wenn sie zum weiteren Abbau der materiellen Lebensgrundlagen der Arbeitnehmer führen. In der Folge werden dann wieder die „Schieflage“ bedauert, gewerkschaftliche „Kampfmaßnahmen“ in Aussicht gestellt, die nie beharrlich verfolgt werden, oder aber ein Aktionstag organisiert.

Ein Aktionstag kann ein Anfang sein, ein Anfang in einer Informationskampagne über die wahren Hintergründe der gesellschaftlichen Schieflage. Als solcher kommt er nach über 10 Jahren etwas spät. Zusätzlich ist neben einer ideologischen Kehrtwende der Arbeitnehmervertretungen eine Lösungsstrategie notwendig, also die Beantwortung der Frage, mit welchen Mitteln man berechtigte Forderungen durchsetzen will.

Dazu wird eine Kundgebung nicht reichen. Dazu wird man jenes demokratische Mittel einsetzen müssen, welches Regierungen zum Umsetzen des Volkswillens zwingt: der Volksabstimmung. Und dafür wird man nach einer erfolgten ideologischen Neuausrichtung Zweckbündnisse mit NGOs und all jenen eingehen müssen, welche sich schon heute für das Wohlergehen der Menschen einsetzen. Die Arbeitnehmervertretungen können und müssen diesen Weg gehen. Tun sie es nicht, so werden sie selbst zu den Totengräbern all jener Errungenschaften, welche ihre Organisationen einst mühsam erkämpft haben. (Gerhard Kohlmaier)