Woko vom 23.6.: Hält Kurz die Bürger für blöd? Drucken E-Mail

 

Die ÖVP macht sich für eine Pflegeversicherung stark. Ex-Kanzler Kurz möchte sie neben der Kranken-, Pensions-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung als 5. Säule des Sozialsystems etablieren. Kurz argumentiert, wer sein ganzes Leben etwas geleistet habe,  müsse auch im Alter sozial abgesichert sein.

Gegen diesen Vorschlag des ÖVP-Chefs kann man auf den ersten Blick nicht sein. Er erscheint grundvernünftig, insbesondere wenn man bedenkt, dass die derzeitige Pflegeregelung auf Dauer nicht finanziert werden kann. Aber da sind wir schon beim eigentlichen Problem des Kurz-Vorstoßes, bei welchem der Teufel in diesem Fall nicht im Grundsätzlichen liegt, sondern wie so oft bei Kurz im Detail: nämlich bei der Finanzierungsfrage.

Diese will Kurz sogar durch Steuersenkungen gewährleistet wissen. Unser Staat hat seit geraumer Zeit ein Steuerproblem, nämlich eines, wofür vor allem der ÖVP-Chef steht: die Lohnsteuerquote ist viel zu hoch, Steuern auf Vermögen und Kapital sind viel zu niedrig. Anders gesagt, wir haben es in unserem Land nicht damit zu tun, dass zu wenig Geld erwirtschaftet wird, sondern damit, dass das Erwirtschaftete falsch verteilt wird. Und dafür sorgt vor allem Kurz selbst und seine Freunde aus Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer.

Diese Verteilungspolitik bewirkt, dass der Staat auf Milliarden von Einnahmen durch die wirklich Vermögenden verzichtet, die dadurch immer reicher werden, während der Großteil der Arbeitnehmer immer tiefer in die Tasche greifen muss, um für den Sozialstaat aufzukommen: sei es nun durch Steuern oder durch steigende Selbstbehalte oder Abgaben.

Obwohl dies jedem Staatsbürger bewusst ist, reichen die Einnahmen schon lange nicht mehr aus, um den Sozialstaat zu bewahren. Der schleichende Abbau des Sozialstaates ist seit Jahren im Gange.

In dieser Situation herzugehen und eine Pflegeversicherung zu fordern, welche man durch Steuersenkungen finanzieren möchte, ist mehr als populistisch. Die einzige Möglichkeit, eine solche Versicherung ohne weitere Einschränkungen in anderen sozialen Bereichen zu finanzieren, besteht darin, endlich für eine Umverteilung der erzielten Wertschöpfung innerhalb unseres Staates zu sorgen. Und da kann man es drehen und wenden, wie man will: eine solche kann nur über eine Steuerpolitik erfolgen, welche Vermögen endlich mehr besteuert, in einer immer mehr automatisierten Arbeitswelt endlich eine Wertschöpfungsabgabe anstelle einer Lohnsummenbesteuerung einführt, die Besteuerung von spekulativen Finanzkapital forciert und alles unternimmt, damit eine Finanztransaktionssteuer endlich Realität wird.

 

Nein, aber der Wunderwuzzi Kurz, der, wie wir ja alle wissen, von all diesen Vorschlägen nichts wissen möchte, um seine Freunde und offensichtlich auch Wahlspender nicht zu vergrämen, will eine Pflegeversicherung mittels Steuersenkungen finanzieren. Hält er die Bürger dieses Landes für blöd?