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Aktueller Kommentar vom 11.8.2013: Faymann mutiert zum Steigbügelhalter für die neoliberale Politik Stronachs: Drucken E-Mail


Bisher hatte die Regierung trotz vielfältiger demokratiepolitischer Defizite zumindest ein Interesse daran, der Bevölkerung eine Scheindemokratie zu präsentieren. Seit der Aufkündigung einer sozialpartnerschaftlichen Regelung für ein neues Lehrerdienstrecht durch Spitzen der SPÖ und mit Zustimmung der ÖVP-Führung ist diese Regierung jedoch endgültig zum Steigbügelhalter der Politik eines Frank Stronach geworden, der ja Interessensvertretungen für ArbeitnehmerInnen grundsätzlich als unnötig erachtet.

Beide ehemaligen Großparteien, inzwischen zahlenmäßig längst geschrumpft zu Mittelparteien, wollen durch diesen demokratiefeindlichen Akt auf jene Wählerzielgruppe schielen, welche  dem populistischen Parteigetöse um eine Bildungsoffensive unter Mithilfe von Industriellen wie Androsch und so genannten Experten a la Salcher nach wie vor Glauben schenkt.

Der Großteil der Massenmedien hat über Monate und Jahre fleißig mitgeholfen, den Nährboden für eine antigewerkschaftliche und antidemokratische Gesinnung innerhalb großer Teile der Bevölkerung aufzubereiten, indem sie diese einseitig und völlig unzureichend informierte. So wurden und werden bis heute die wesentlichen Argumente, welche seitens der Gewerkschaft den Abschluss eines neuen Lehrerdienstrechtes im Wege standen, mehr oder weniger bewusst ausgeblendet. Stattdessen hat man kräftig mitgeholfen rechtzeitig vor den Wahlen ein neues Feindbild zu entwickeln - das der Verhinderer und Betonierer auf Seiten der gewerkschaftlichen Vertretung der Lehrer sowie das einer privilegierten und überbezahlten Lehrerschaft.

Die Übung musste unter diesen Prämissen gelingen und nun machen sich SPÖ und ÖVP im Schatten der Politik eines Frank Stronach an das Ernten der Früchte dieser Politik und schicken sich an, sowohl das österreichische Bildungssystem als auch die letzten demokratiepolitisch sinnvollen Reste einer sozialpartnerschaftlichen Mitbestimmung zu zerschlagen.

Dabei hat es diese Regierung unter Bildungsministerin Schmid geschickt verstanden, die wahren Hintergründe für das Scheitern der Verhandlungen zu einem neuen Lehrerdienstrecht zu verbergen. Diese beruhen nämlich im Wesentlichen auf den Vorgaben, den sich diese Regierung nach Unterzeichnung des Fiskalpaktes, mit dem sie wesentliche Teile der Budgethochheit nach Brüssel ausgelagert hat, nun im Bundesfinanzrahmengesetz 2014 bis 2017 auferlegt hat: Alleine in diesem Zeitraum sollen dem Bildungsbereich 4,3 Milliarden Euro vorenthalten werden.

Ein gewaltiger Anteil dieser Einsparungen soll über das neue Dienstrecht für zukünftige LehrerInnen aufgebracht werden. Über eine geringfügige Erhöhung der Einstiegsgehälter für LehrerInnen gaukelte man der Öffentlichkeit sogar Gehaltsverbesserungen für die zukünftigen PädagogInnen vor.  Dass die darauf folgende Abflachung der Gehaltskurve sowie der Wegfall von bisherigen Gehaltsbestandteilen durch ein All-inclusive-Modell u.a.m. zu einem Gehaltsverlust von mehreren hunderttausend Euro im Verlauf ihres Berufslebens für die zukünftigen LehrerInnen führt, wird in der medialen und politischen Diskussion bewusst ausgespart. Und dass dieser Gehaltsverlust gleichzeitig noch mit einer Erhöhung der Arbeitszeit einhergeht, welche ebenfalls nicht den SchülerInnen im Sinne von mehr Zeitressourcen für deren Betreuung zugute kommt, sondern ganz im Gegenteil zu einer Verknappung dieser Betreuungszeit führt, weil die LehrerInnen ja auf Grund dieser Erhöhung der Arbeitszeit zusätzliche Klassen (bedeutet mehr Vor- und Nachbereitungs- bzw. Korrekturzeit) übernehmen müssen, bleibt ebenso unerwähnt.


Diese Dienstrechtsreform ist also nicht anderes als ein Sparpaket zu Lasten der Lehrer, der Schüler und auch der Eltern. Es ist daher verständlich, dass LehrerInnen und deren Standesvertretung so einem Dienstrecht die Zustimmung versagen müssen.

Gewerkschaftsvertreter, welche dies tun, sind keine Blockierer, sondern handeln in Kenntnis der Sachlage. Würden sie so einem Dienstrecht zustimmen, hätten sie ihre Legitimation verspielt.

Die Schüler gehören ebenfalls zu den Verlieren eines solchen Modells. Denn sie bekommen schon seit Jahren mit, wie sehr nicht erfüllte Versprechungen der Ministerin (z.B. Senkung der Klassenschülerhöchstzahl) eine Verbesserung der Betreuungs- und Unterrichtsqualität verhindern.

Und schließlich sind es vor allem auch die Eltern, welche durch diese Politik betrogen werden. Eine Bildungsreform, welche Einsparungen von Investitionen in die Bildung in Milliardenhöhe plant, kann nur in einer Demontage der öffentlichen Bildungseinrichtungen münden. Das Resultat werden staatliche Ganztagsverwahrungsanstalten sein, deren Abschluss zwar für fast alle erreichbar ist, deren Bildungswert jedoch zu wünschen übrig lässt und am so genannten freien Markt kaum gefragt sein wird. Diese Situation ist jedoch gleichzeitig der Startschuss für die Entstehung von privaten, zahlungspflichtigen Bildungseinrichtungen, welche sich der Großteil der Eltern nicht leisten können wird. Letztlich führt eine solche Bildungspolitik zu einer Zweiklassengesellschaft.

Faymanns Strategie ist leicht zu durchschauen. Gelingt es ihm weiterhin die Bevölkerung über die wahren Hintergründe und Zusammenhänge im Bildungsbereich im Unklaren zu lassen, so kann er zwar in Hinblick auf die Wahlen mit einem kurzfristigen Erfolg rechnen. Offenbar traut ihm Spindelegger das zu und möchte daran partizipieren. Wie weit er dabei gehen wird oder kann, wird sich zeigen.

Trotzdem birgt die Taktik des Kanzlers etliche Gefahren. Faymann macht sich damit einerseits offen zum Steigbügelhalter der Politik eines Frank Stronach. Andererseits ist die Aufkündigung des Modells der Sozialpartnerschaft bei den Lehrern auch ein ernst zu nehmendes Warnsignal für alle anderen Teilgewerkschaften für zukünftige Kollektivvertragsverhandlungen. Inwiefern die ÖVP unter Spindelegger in dieser Frage ein echter „Verbündeter“ des Kanzlers auch noch nach den Wahlen sein wird, sei dahingestellt, ist jedoch nicht als sicher anzunehmen. Aber was wohl am schwersten wiegt: Die SPÖ hat sich mit diesem Schritt wohl auch für die bisher auf einem Auge blind gewesenen Anhänger als neoliberal agierende Partei entpuppt.

F.d.I.v.: Mag. Gerhard Kohlmaier, Wehlistr. 150/73, 1020 Wien     www.steuerini.at


 
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Ein Ort zum Abschalten, ein Traumstrand, kein Massentourismus. Siehe: www.hotelseaside.eu

 
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Die "Steuerini" geht in die Sommerpause. Daher werden die Wochenkommentare in den nächsten zwei Monaten nur sehr unregelmäßig erscheinen, ebenso die Aktualisierungen.

Ich wünsche Ihnen einen schönen, erholsamen Sommer und uns allen nicht allzu viele unliebsame politische Überraschungen!

Gerhard Kohlmaier

 
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Der nächste Wochenkommentar erscheint aus Zeitgründen erst am 26.6.

 
Wochenkommentar vom 2.6.2013: Droht den Neoliberalen die Herrschaft zu entgleiten? Drucken E-Mail

 

Die Herrschaft über die Krise des Systems droht den Protagonisten zu entgleiten. Nachdem seit Ausbruch der Finanzkrise ihr Allheilmittel im Wesentlichen darin bestand, die Konsequenzen der Zockerei des Finanzkapitals auf die Steuerzahler zu übertragen anstatt dieses an die Kandare zu nehmen, werden die Konsequenzen dieser Politik immer deutlicher.


Während die Realwirtschaft im Wesentlichen funktioniert, ist sie längst nicht mehr der Parameter für die Wirtschaftskraft, denn diese orientiert sich fast ausschließlich an der Geldvermehrung durch Geld.

Diese Kluft schlägt sich auf mehrerlei Weise nieder: Einerseits durch eine ungebremste Fortsetzung der Umverteilung von volkswirtschaftlichem Vermögen von unten nach oben. Während man den Steuerzahlern Sparpakete auferlegt, werden die Reichen immer reicher und die Zahl der Millionäre und Milliardäre wächst weltweit. Noch nie gab es weltweit so viele Dollar-Millionäre wie derzeit.

Laut Studie der Boston Consulting Group „Global Wealth“ stieg die Zahl der Millionäre in Westeuropa im letzten Jahr um 7,6%. Auch Österreich macht da keine Ausnahme. Trotz der Krise stieg allein im Jahr 2012 die Zahl der österreichischen Millionäre um 5 500! Gleichzeitig nimmt laut Statistik Austria die Armut bzw. Armutsgefährdung der Menschen zu. Gemessen an der Gesamtbevölkerung stehen prozentuell immer weniger Wohlhabende einem immer größer werdenden Heer von immer ärmer werdenden Bevölkerungsteilen gegenüber.


Letztere sind auf Grund der einfallslosen Politik der Systembewahrer nicht nur vom immer rigoroser durchgesetzten Sozialabbau betroffen, sondern in letzter Zeit vor allem durch den Verlust ihres Arbeitsplatzes. Der heute vorgelegte Weltarbeitsmarktbericht 2013 prophezeit eine weitere Zunahme der europäischen Arbeitslosenzahlen bis 2015 um 8 Millionen! Besonders trist sehen die Jobchancen für die jungen Menschen aus. Die Jugendarbeitslosigkeit in der EU beträgt bereits 23,5%, es ist also bereits jeder 4. Jugendliche arbeitslos. Tendenz steigend. Auch in Österreich ist allein im Vergleich zum Mai 2012 die Arbeitslosigkeit besorgniserregend angestiegen. Derzeit 330 309 Arbeitslose ergeben alleine in diesem Zeitraum ein Plus von 9,5%. Die offenen Stellen hingegen haben im selben Zeitraum um 11,9% abgenommen (Quelle: AMS).

Während die verordnete Sparpolitik die Krise für die Mehrheit der Menschen verschärft und die systemischen Probleme nicht einmal andeutungsweise berührt, wird die Gangart des Finanzkapitals und der politischen Erfüllungsgehilfen immer schärfer. Die neuen EU-Vorstöße von der Saatgutverordnung über die Bemühungen um ein Pflichtkonto für jeden EU-Bürger bei einer Bank bis hin zur Privatisierung von Wasser sind Beispiele für diese verschärfte Gangart.


Hierbei spielt der Bürger keinerlei Rolle mehr. Transparenz dieser Entscheidungen ist schon lange nicht mehr gegeben, die Informationslage des Durchschnittsbürgers über diese und andere politische Vorhaben (die fast ausnahmslos dem Finanzkapital dienen) tendiert bewusst gegen Null. Die Medien, überwiegend im Besitz der Systembewahrer, tun das Ihre dazu.


Und gerade weil dieser Zustand bereits erreicht ist, kann man sich seitens der Politik getrost auf eine Demokratiediskussion einlassen, welche um Jahre, wenn nicht Jahrzehnte zu spät kommt und zudem die tatsächlichen Einflussmöglichkeiten der BürgerInnen nicht wesentlich zu verbessern gedenkt. Ein guter Beleg dafür sind die letzten zwei Volksbegehren: Das eine setzte sich für die Einführung einer Vermögenssteuer ein, das andere für den Ausbau der direkten Demokratie. Ersteres erhielt nicht einmal die notwendigen Unterschriften, um eingeleitet zu werden, letzteres erhielt nicht einmal 70 000 Stimmen. Auf dieser Basis eines bewusst zerstörten Demokratiebewusstseins großer Teile der Bevölkerung lässt sich trefflich über Demokratie diskutieren. Zumindest aus der Sicht jener Politiker, welche diese Demokratie seit Jahrzehnten ad absurdum führen.


Doch trotz allem droht den neoliberalen Politikern die Herrschaft über das System zu entgleiten. Eben weil sie nahezu alle demokratischen Einflussmöglichkeiten der BürgerInnen erfolgreich bekämpft haben, bleibt dem Volk nun nur eine Ohnmacht gegenüber diesem System, an welches sie immer weniger glauben. Und diese Ohnmacht drückt sich in der Zunahme von Unruhen aus, insbesondere in den südlichen Ländern Europas. Doch da die Folgen dieser falschen Politik auch vor Ländern wie Deutschland und Österreich auf Dauer nicht Halt machen können, ist es auch bei uns nur eine Frage der Zeit, bis das Pulferfass explodiert. (Gerhard Kohlmaier)

 

 
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