Woko vom 27.8.:Heikle Angelegenheit - Steuersenkung auf Arbeit! Drucken

Ja, die Besteuerung von Arbeit in Österreich ist hoch, zu hoch auf den ersten Blick. Denn sie umfasst 57,4% der Gesamtbesteuerung. Da liegt nur Schweden vor uns, nämlich mit einem Anteil von 58,5%. Die Zahlen stammen aus einem Bericht der Kommission über „Steuertrends in der EU“ aus dem Jahr 2016. Hier liegt Österreich auch deutlich über dem EU-Schnitt von ca. 50,5%.

Nun, im Rahmen des Wahlkampfes sind sich mehr oder weniger alle Parteien einig, diese Quote senken zu wollen. Insbesondere Sebastian Kurz will mit diesem Vorhaben bei der Bevölkerung punkten. Und da schlägt er u.a. vor, Kürzungen im Sozialbereich vorzunehmen. Demgegenüber will die SPÖ die Senkung der Steuersätze auf Arbeit u.a. durch die Einführung von zusätzlichen Kapitalsteuern bewerkstelligen.

Die entscheidende Frage dabei ist jedoch nicht die Höhe einer Besteuerung, sondern was mit Steuern geschieht, also in welcher Form und Verteilungswirksamkeit diese den Bürgern als Transfer- und öffentliche Dienstleistungen zugute kommen. Eben durch diese Dienstleistungen des Staates ist es zu erklären, dass die Schweden die relativ hohe Steuerbelastung auch widerspruchslos zur Kenntnis nehmen, denn der wesentliche Teil des Steueraufkommens wird jenen zurückerstattet, die arbeiten. Ausbildungsscheine, Pendlerbeiträge, Unterstützungen in der Alten- und Krankenversorgung usw. sorgen letztlich dafür, dass der Nettosteuerbetrag der Schweden für die arbeitende Bevölkerung niedriger als in manchen vergleichbaren Ländern ist.

Österreich ist über viele Jahrzehnte einen ähnlichen Weg gegangen und im Wesentlichen war dieses Modell eines Sozialstaates ein äußerst erfolgreiches.

Will man nun die Steuerquote senken, indem man an den Errungenschaften dieses Sozialstaates rüttelt, dann besteht die Gefahr, dass im Endeffekt die arbeitende Bevölkerung der wahre Verlierer dieser Eingriffe wird. Dort wo die Leistungen eines Sozialstaates zurückgefahren werden, entwickeln sich in der Regel sehr schnell private Anbieter, welche die Lücke gegen Bezahlung schließen. In Österreich haben wir bereits genug an ersten Beispielen dafür: Wo das staatliche Bildungssystem versagt oder dessen Leistungen schlechter werden, helfen Privatschulen aus dem Dilemma, wo das öffentliche Gesundheitswesen und dessen Leistungen zurückgeschraubt werden, füllen u.a. Wahlärzte die Lücke. Selbstverständlich bekommt der Bürger diese Leistungen nun nicht mehr umsonst und immer öfter müssen zahlreiche Bürger feststellen, dass ihre finanziellen Mittel dafür nicht ausreichend sind.

Es ist also zu einfach gedacht, wenn man aus einer relativ hohen Steuerquote auf Arbeit den Schluss zieht, diese solle u.a. durch Eingriffe in den Sozialbereich verringert werden.

Für die Vermögenden wird dies kein Problem sein, denn sie sind auf staatliche Dienstleistungen im Wesentlichen nicht angewiesen, aber für die Mehrheit der Bevölkerung kann und wird ein Abbau des Sozialsystems in einem Dilemma enden.

Der Bericht „Steuertrends in der EU“ weist jedoch noch eine interessante Zahl auf. Der Anteil der Kapitalbesteuerung an der Gesamtbesteuerung beträgt in Österreich 5,1%. Damit liegt das Land an 23. Stelle innerhalb der EU. Nicht nur in Schweden, nahezu überall in der EU werden Kapitalerträge und Vermögenswerte höher besteuert als in Österreich. Hier war es vor allem die ÖVP, welche jahrzehntelang ihre schützende Hand über die vermögende Klientel des Landes hielt, welche dadurch doppelt profitierte: nämlich einerseits von den relativ hohen Sozialleistungen sowie andererseits von den geringen Steuersätzen auf Kapital und Vermögen.

 

Bevor man daher ernsthaft daran denkt, Änderungen im Sozialsystem durchzuführen, um die Steuersätze auf Arbeit zu senken, ist es ein Gebot der Stunde zunächst die Steuersätze auf Vermögen und Kapital wenigstens auf das europäische Durchschnittsniveau zu heben. Das allerdings hat Herr Kurz offenbar nicht vor und kann für die Mehrheit der ihn unterstützenden Bürger zu einem (zu) späten Erwachen führen.