Woko vom 31.1.2016: Das Dilemma einer falschen Steuerpolitik Drucken

Jahrzehntelang haben die Regierungen der hochentwickelten Staaten der westlichen Welt eine Steuerpolitik betrieben, welche die Vermögenden großteils ungeschoren ließ. Zahlreiche Steuerschlupflöcher oder die Möglichkeit die Steuerpflicht dorthin zu verschieben, wo sie möglichst gering ist, sorgten dafür, dass die wirklichen Profiteure des neoliberalen Systems gemessen an ihren Profiten am wenigsten in dieses System einzahlten.

 

Viele Jahre schien das kein Problem zu sein. Die Regierungen holten sich die Steuergelder überwiegend vom sogenannten Mittelstand, der in Zeiten der Prosperität immer noch genug gemolken werden konnte, um den staatlichen Aufgaben nachzukommen.

 

Zu Beginn des neuen Jahrtausends wurde jedoch zunehmend klarer, dass bei sinkendem Wirtschaftswachstum, steigenden Arbeitslosenzahlen und explodierenden Staatsschulden diese Steuerpolitik problematisch wird. Was die Arbeitnehmer an Steuern aufzubringen vermögen, reicht bei Weitem nicht mehr aus, um die staatlichen Aufgabenbereiche zu erfüllen, ohne weitere Schulden zu tätigen. Innerhalb der Staaten der europäischen Union reagierte man auf dieses Szenario zunächst mit der Einführung einer Schuldenbremse für die einzelnen Mitgliedsstaaten. Diese wurde jedoch spätestens durch den Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise außer Kraft gesetzt und die Verschuldung der Staaten wurde nicht etwa durch Eintreiben von Steuern beim Finanz- und Großkapital eingedämmt, sondern durch Drucken von neuen Geldscheinen. Selbst zukünftige Generationen geraten durch diese Politik in eine Schuldenfalle, aus der es innerhalb des Systems kein Entrinnen gibt.

 

Mittlerweile - auch angeheizt durch die aktuelle Flüchtlingskrise - steigen die staatlichen Ausgaben. Dazu kommt eine gesamtwirtschaftlich immer unsichere Situation - sei es durch den sinkenden Ölpreis oder das einbrechende Wirtschaftswachstum in China.

Die Staaten werden also weiter zusätzliches Geld brauchen, um die vielfältigen neuen Herausforderungen zu bewältigen. Der derzeit betriebene Sozialabbau alleine wird abgesehen vom falschen politischen Signal jene Geldmittel nicht freispielen, welche die Staaten benötigen werden.

 

Die Steuer- und Abgabenbelastung wird daher für die Arbeitnehmer in den nächsten Monaten spürbar steigen. Da die Regierungen jedoch wissen, dass weitere Steuererhöhungen bei den Arbeitnehmern auf zunehmenden Widerstand derselben fallen werden, betreibt die europäische Union derzeit auch eine Scheinsteuereintreibungspolitik bei den großen Konzernen, um sozusagen die Bürger zu beruhigen.

Die EU-Kommission hat Ende Jänner Vorschläge zur Vermeidung der Steuerhinterziehung von Großkonzernen ausgearbeitet, lässt dabei jedoch wesentliche Steuerschlupflöcher weiterhin offen.

Auch Steuernachzahlungen von Großkonzernen wie Amazon oder Google sind im Moment gang und gäbe. Aber auch diese sind im Wesentlichen Scheingefechte, um das gemeine Volk auf neue Belastungen vorzubereiten. So hat Google beispielsweise in Großbritannien 171 Millionen an Steuern nachbezahlt. Das klingt zwar viel, entspricht jedoch - gemessen am Gewinn von 7,2 Milliarden Pfund allein im Vorjahr - einem Steuersatz von maximal 3,5 Prozent.

 

Es ist nicht zu erwarten, dass das Finanz- und Großkapital in Zukunft tatsächlich jene Steuersätze zahlen wird, die auch Klein- und Mittelbetriebe zu zahlen haben. Zu groß ist die Macht und der Einflussbereich dieser Global Player auf die Politik, welche vom Geist, den sie selbst geschaffen hat, längst dominiert wird. Man muss also dieser Politik und deren Repräsentanten ein Ende setzen, um systemische Veränderungen im Steuersystem zu ermöglichen. (Gerhard Kohlmaier)