Woko vom 23.9.: Selbstauflösung oder endlich sozialdemokratische Politik? Drucken

Die GRÜNEN haben gezeigt, wie es geht. Die SPÖ läuft derzeit Gefahr, diesen Kurs kopieren zu wollen.

Dass Kern als Oppositionsführer abspringt und sich zu höheren europäischen Weihen berufen fühlt, ist durchaus vergleichbar mit dem Wechsel von Eva Glawischnig zu Novomatic. Weder Glawischnig noch Kern haben es geschafft in ihren Parteien eine klare Linie zu entwickeln, welche von Funktionären und Mitgliedern mitgetragen wird. Die diversen Flügel- sowie Machtkämpfe, verbunden mit so manchem Störmanöver innerhalb der Partei führten und führen zu einer Parteiwahrnehmung, welche ohnedies verunsicherte BürgerInnen immer weniger beeindruckt. In dieser Situation alles hinzuschmeißen und sich um die eigene Karriere zu kümmern, ist letztlich eine Konsequenz des eigenen Versagens als Parteivorsitzender. Glawischnig gibt dabei vor, in einem der weltgrößten Spielkonzern nach dem Rechten sehen zu wollen, Kern will angeblich auf europäischer Ebene jenen Rechtsruck verhindern, den er im eigenen Land nicht zu zähmen wusste. Sehr glaubwürdig ist das nicht.

Aber damit nicht genug. Die Partei lässt sich noch mehr schädigen, wenn bei ehemaligen Mitgliedern der Wertekanon offengelegt wird, für den sie offenbar stehen. Bei den GRÜNEN übernahm diese Rolle wohl Glawischnig selbst, bei der SPÖ sorgt derzeit ein ehemaliger Parteivorsitzender dafür. Alfred Gusenbauer, selbst seit mehreren Jahren Berater des Glücksspielkonzerns Novomatic und Berater des kasachischen Autokraten Nasarbajew, soll nach der Anklageschrift des amerikanischen Sonderermittlers Robert Mueller als bezahlter Lobbyist innerhalb der sogenannten „Habsburg-Gruppe“ unerlaubterweise und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen sowohl in Europa als auch in den USA Stimmung für den ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch und dessen ukrainische Regierung gemacht haben und dafür vom ehemaligen Wahlkampfleiter Trumps, Paul Manafort, zusammen mit anderen verdeckten Lobbyisten Millionen kassiert haben. Werbung für eine sozialdemokratische Partei kann man das wohl nicht nennen. Es darf auch davon ausgegangen werden, dass Gusenbauer nicht mehr vor hat in die USA zu reisen, außer es gelüstet ihm danach, mehrere Jahre in Haft zu gehen.

In dieser schwierigen Situation übernimmt nun - nach etlichen Absagen - Pamela Rendi-Wagner das Steuerruder der Partei. Ob sie erfolgreich sein kann und die SPÖ aus dem Schlamassel ziehen kann, wird in erster Linie davon abhängen, ob sie in der Lage ist, die Partei durch sozialdemokratische Themen zu festigen und den BürgerInnen ein lukratives Angebot zu machen, um verlorene WählerInnen zurückzugewinnen. Nicht das Aufspringen auf den türkis-blauen populistischen Zug, die Annäherung an deren Themen wird letztlich dafür entscheidend sein, sondern die Themenführerschaft im Sozialbereich. Dieser ist jedoch mittel- und langfristig nur zu finanzieren, wenn man endlich die Frage der Umverteilung von gesellschaftlich erzielter Wertschöpfung von oben nach unten angeht, wenn Finanztransaktionssteuer, Vermögensbesteuerung, Wertschöpfungsabgabe nicht nur am Papier zu sozialdemokratischen Zielen werden, sondern auch in der politischen Realität.

 

Eine Partei, welche im Scherbenhaufen der eigenen Problemlagen, welche noch dazu von neoliberaler und nicht sozialdemokratischer Gesinnung zeugen, zu ersticken droht, ohne diese Scherben, aber auch die sie verursachenden Personen, endlich und restlos zu entfernen, kann an Glaubwürdigkeit nicht gewinnen. Rendi-Wagner wird daran zu messen sein, was sie in diesen Bereichen zustande bringt.