Woko vom 1.10.: Spaltet Kurz das Land? Drucken

In zwei Wochen wird eine neue Regierung gewählt und damit ziehen auch neue Parlamentarier ins Hohe Haus ein, Repräsentanten des Volkes. Für den Volkswillen herrscht im Wesentlichen nach dem Wahltag wieder für fünf Jahre Stillstand, vorausgesetzt die Legislaturperiode dauert so lange und s gibt nicht wieder vorgezogene Neuwahlen. Es ist dann auf Gedeih und Verderben den Repräsentanten ausgeliefert.

Gerade deshalb sollten die wahlwerbenden Parteien ihre Inhalte präsentieren, also das, wofür sie sich in den nächsten Jahren politisch einsetzen wollen, der Wähler sollte diese Vorhaben kritisch prüfen, insbesondere was deren Umsetzungsmöglichkeiten betrifft, und dann seine Wahlentscheidung treffen.

Der derzeitige Wahlkampf ist jedoch von Anfang an primär kein inhaltlicher gewesen. Im Vordergrund standen und stehen Personen. Von Irmgard Griss über Josef Moser spannt sich der Reigen bekannterer Personen, von Alma Zadic bis Tanja Graf eine Fülle von neuen Gesichtern, die kaum jemand kennt. Bewegung wurde zum neuen Zauberwort erklärt und da Wähler sich am leichtesten dann bewegen lassen, wenn sie sich emotional betroffen fühlen, wurde das Immigrations- und Asylantenthema zum Politthema Nr 1 ernannt. Wesentlich dafür verantwortlich war und ist der ÖVP-Kandidat Sebastian Kurz, der mit diesem Thema eine in den Umfragen bei 19% liegende ÖVP zu einer 35%-ÖVP-Partei gepusht hat und wie der sichere Wahlsieger und nächste Bundeskanzler aussieht. Dass die Kurz-Bewegung nach dem Wahltag sehr schnell wieder die typischen Züge einer von Machtpolitikern und Bünden durchzogenen ÖVP-Partei entwickeln wird, werden die Kurz-Wähler schneller merken, als so manchem lieb ist.

Dass die Österreicher einen so derart hohen Emotionalisierungsgrad bezüglich der Asylantenthematik aufweisen, ist jedoch nicht auf Sebastian Kurz zurückzuführen, sondern auf eine jahrelang betriebene Politstrategie der FPÖ gepaart mit der Flüchtlingswelle von 2015. Kurz hat die Mobilisierungschancen, welche die Thematik enthält, nur erkannt und sich dieser FPÖ-Themen bemächtigt. Dabei ist es ihm gelungen, den Grad der Betroffenheit bei den Wählern noch zu steigern, und zwar fernab jeglicher nachhaltiger Sachlösungen. Denn nicht die Fachkompetenz beschert ihm in dieser Frage einen Wählerzulauf - hier liegen alle größeren Parteien, mit Ausnahme der GRÜNEN vielleicht - sehr nahe beisammen. Und auch auf der Lösungsebene ist Kurz im Wesentlichen genauso hilflos wie alle anderen Parteichefs. Ohne größere Anstrengungen in der EU insgesamt wird da wenig gehen, ob mit oder ohne Kurz. Nein, Kurz punktet unter der Gürtellinie, fernab jeglicher sachlichen Argumentation. Er schürt die Emotionalität bewusst und er trägt damit nicht unwesentlich zu einer immer merkbareren Spaltung der Bevölkerung bei - eine Spaltung in Bevölkerungsteile, für die Asylanten und Immigranten immer mehr zu einem Feindbild, ja sogar zum Sündenbock für vieles werden, und in jene, die versuchen die Problematik wesentlich umfassender zu sehen.

 

Zwei Wochen bleiben für Bürger noch Zeit, um ihre Repräsentanten für eine Politik der nächsten fünf Jahre zu wählen. Ein Bundeskanzler, welcher seinen Erfolg auf einer emotionalen Spaltung der Bevölkerung aufbaut und nicht die zahlreichen anderen, dringend zu lösenden Probleme in unserem Staat in den Vordergrund einer Sachpolitik stellt, die Chancen auf Umsetzung haben, sollte bei einer solch wichtigen Zukunftsentscheidung eigentlich gar keine Rolle spielen.Er wird von den Wählern spätestens dann entzaubert, wenn die alten Probleme die neuen sind. Aber dann heißt es eben wieder fünf Jahre zu warten.