Woko vom 23.11.2014: Lebensmittel als Todesmittel? Drucken

Lebensmittel sind wertvoll. Kein Wunder, die Menschen waren und sind auf sie angewiesen, um überleben zu können. Aber es mehren sich die Fälle, in denen Lebensmittel zu Todesmittel werden in bedenklichem Ausmaß.

Mit dem Verweis auf eine zunehmende Weltbevölkerung, deren Ernährung die Produzenten vor neue Herausforderungen stelle, setzt man in der vom freien Marktdenken dominierten Wirtschaft auf Massenproduktion von Lebensmitteln, von Obst, Gemüse, Fleisch. So produzieren heute unter dem Diktat von wenigen Global Playern und unter den Rahmenbedingungen, welche die Politik vorgibt, überwiegend Großbetriebe das, was wir zum Leben brauchen.

Das Resultat jedoch ist nicht etwa, dass deshalb der von Hunger geplagte Teil der Menschheit gesättigt wird, im Gegenteil: von den 7 Milliarden der Weltbevölkerung haben 1.805 Millionen Menschen zu wenig zu essen (Quelle: State of Food Insecurity in the World, FAO 2014) Obwohl immer mehr und immer schneller produziert wird, steht dabei nicht die Bekämpfung des Hungers im Vordergrund, sondern die Geschäftsinteressen der Konzerne. So ist es auch zu erklären, dass Spekulationen mit Lebensmitteln zunehmen, man lässt sie gegebenenfalls, um die Preise beeinflussen und die Gewinne erhöhen zu können, lieber verrotten, als sie günstig dem Markt zu überantworten. Aber Lebensmittel, die aus Profitgier verderben, bewirken indirekt den Tod von Millionen Hungernden. Verantwortlich dafür sind nicht nur die Spekulanten, sondern auch die Regierungen, welche die Rahmenbedingungen für Märkte schaffen, die dann Konzerne zu Herren über Tod und Leben machen.

Gerne verweisen die Politiker, insbesondere in der EU, auf die angeblich hervorragenden und hohen Standards, welche in der Massenproduktion herrschen. Von wegen. Gerade in der modernen Fleischproduktion schaffen wir durch Massentierhaltung Probleme, die uns bald Kopf und Kragen kosten könnten. Abgesehen von den Haltungsbedingungen der Tiere, den ethischen Problemen dieser Massenproduktion und deren Konsequenzen auf Geschmack und Qualität der Produkte, züchteten und züchten diese Betriebe durch den Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung unter staatlicher Aufsicht ein Bakterium heran, das zu einem Massenkiller zu werden droht: MRSA - Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus - also einen Keim, der gegen jedes Antibiotikum resistent ist.

Mittlerweile sind diese multiresistenten und hochgefährlichen Keime aber nicht mehr alleine in den Mastställen von Fleischbetrieben anzufinden, sie wurden über die Mistbewirtschaftung längst auch auf unseren Böden verbreitet und sind sowohl dort als auch bereits im Grundwasser nachweisbar. Selbst in der Abluft dieser Massenproduktionsbetriebe sind Unmengen von MRSA vorhanden.

Der oft bedenkenlose Umgang zahlreicher Ärzte beim Verschreiben von Antibiotika trägt zudem nicht unwesentlich dazu bei, dass im Ernstfall bei viele Menschen kein Antibiotikum mehr greift.

Viele Ärzte schlagen bereits Alarm. Immer häufiger werden diese Killerkeime in Krankenhäuser eingeschleppt, wo sie nach Operationen und anderen Behandlungen ideale Bedingungen vorfinden, in den Körper von Patienten einzudringen. Insbesondere bei älteren und durch die Behandlung geschwächten Menschen wüten sie dann immer öfter bis zum Organversagen und sind keiner Behandlung mehr zugänglich. Wie oft eines dieser Organversagen letztlich auf solche resistenten Keime zurückzuführen ist, darüber geben Statistiken keine Auskunft.

Auch wenn Krankenhäuser mit verschärften Hygienerichtlinien auf die Gefahr reagieren, so kann diese doch nicht gebannt werden. Eine Sofortmöglichkeit, um eine Verbreitung zu verhindern, wäre, Patienten bereits bei der Aufnahme auf MRSA zu überprüfen, um sie dann bei ihrer Behandlung zu isolieren und so eine weitere Verbreitung zu verhindern. Durchgeführt werden solche Tests jedoch nach wie vor nicht, obwohl Schätzungen zufolge alleine in Deutschland mehr als 40000 Patienten daran sterben. In Österreich sollen es ca. 2600 Patienten jährlich (Profil, 8.11.2003) sein, die in Krankenhäuseren auf diese Art ihr Leben lassen. Genaue Zahlen sind nicht bekannt.

Aber die Gefahr betrifft nicht nur Krankenhäuser. Immer öfter kommt es vor, dass beim täglichen Hantieren mit Lebensmitteln diese gefährlichen Keime durch kleine Wunden eindringen und lebensgefährliche Komplikationen heraufbeschwören.

Lebensmittel als potentielle Todesmittel also. Wir müssen schleunigst darauf reagieren: die Landwirtschaftsminister und Politiker, indem sie dieser Art von Massentierhaltung endlich Einhalt gebieten, die Ärzteschaft, indem sie die Problematik offen darstellt und die Verschreibung von antibiotischen Medikamenten bei harmlosen Erkrankungen endlich eindämmt, und schließlich die Konsumenten, indem sie ihr Konsumverhalten ändern und beim Hantieren mit Lebensmitteln mehr Vorsicht walten lassen. (Gerhard Kohlmaier)