Woko vom 9.11.2014: Scheinpolitik und Scheinmoral unserer Volksvertreter Drucken

Es ist ja längst kein Geheimnis mehr, dass diese Welt von Großkonzernen und vom Finanzkapital regiert wird und dass die Regierungen großteils als deren Marionetten fungieren. Ob in der Frage der Anwendung von neuen, fragwürdigen, weil auf lange Sicht ökologisch bedenklicher Technologien, ob im Klimaschutz, der längst zur Klimagefährdung entartet ist, ob im Bereich der Nahrungsmittelversorgung, wo Riesenkonzerne gewaltige Landstriche zu Monokulturen umformen und die dort ansässige Bevölkerung entweder vertreiben oder versklaven, ob im Bereich der Banken- und Gläubigerrettung mittels Steuergelder und die damit verbundene horrende Staatsverschuldung auf dem Rücken zukünftiger Generationen, ob in der Frage der Demontage von demokratischen Rechten der Völker und des Abbaus von schwer errungenen sozialen Rechten - immer wieder handeln unsere Volksvertreter im Interesse von Globalzockern und bringen ganze Staaten in deren Abhängigkeit.

Nun aber offenbart sich rund um die Diskussion über Steuerhinterziehung in bekannten Steueroasen, wie zum Beispiel in Luxenburg, ermöglicht unter der Führung des derzeitigen EU-Präsidenten Junker, ein neues, noch deutlicheres Bild von der Scheinmoral unserer Volksvertreter. Denn während sie auf der einen Seite dem Volk weiszumachen versuche, sie würden die Steuerflucht und das Steuerdumping bekämpfen, sind sie es selbst, welche nicht nur die Möglichkeiten dafür schaffen, sondern diese dann selbst bzw. für ihre Firmen und Unternehmen in Anspruch nehmen. - Und das auch in Österreich.

Unser Finanzminister Schelling versteuerte als Chef des Möbelgiganten Lutz die Einkommen des Unternehmens im Steuerparadies auf Malta, die Signa-Holding des Tirolers Benkö, in der auch die ehemalige Vizekanzlerin Susanne Riess und der frühere Bundeskanzler Gusenbauer saßen, versteuerte in der Steueroase Luxenburg. Der Wiener Bürgermeister Häupl bediente sich mit dem Wissen des Bundeskanzlers Faymann, der damals als Wiener Wohnbaustadtrat fungierte,  und des jetzigen Staatssekretärs im Finanzministerium Schieder im Bereich der Wiener Stadtversorgung Steuervermeidungskonstruktionen mit Hilfe von US-Konzernen. Auch der niederösterreichische Landeshauptmann Pröll bediente sich Steuervermeidungsmodellen. Natürlich alles legal, denn diese Modelle wurden ja teilweise von den Beteiligten selbst ermöglicht.

Das Problem ist daher kein juristisches, es ist ein zutiefst moralisches. Denn während unsere Volksvertreter so tun, als würden sie im Interesse der Menschen in unserem Staat handeln, schaffen sie selbst Bedingungen, welche Steuerflucht entweder ermöglichen oder gehören zu jenen, die sie in Anspruch nehmen.

Wer will solchen Politikern noch Glauben schenken? Wer will Politikern, die etwa den Vertrag von Lissabon, in welchem die Weichenstellung für die derzeit verhandelten Freihandelsabkommen gelegt wurden, ohne das Volk zu befragen, zugestimmt haben, nun abkaufen, dass sie diese Verträge nun auch kritisch beäugen würden.

Dieser Scheinpolitik, dieser Scheinmoral der gewählten Volksvertreter kann nur das Volk selbst Einhalt gebieten, indem es seinen Willen unüberhörbar bekundet - durch Proteste, aktives Tätigsein, vo allem aber durch selbstorganisierte Volksabstimmungen. (Gerhard Kohlmaier)