Wochenkommentare

 

 



Woko vom 28.2.: Trendumkehr? Drucken E-Mail

 

Spät, aber doch, hat es auch die SPÖ-Chefin Rendi Wagner begriffen: Es gibt ein Problem, wenn man Produktionen wie etwa die von Impfstoffen in die Hände globaler Konzerne legt. Ja, man macht sich von ihnen abhängig - und wie diese Abhängigkeit dann aussieht, das erleben wir gerade jetzt bei der Lieferung bzw. Nichtlieferung von Impfstoffen.

Allerdings bezieht sich diese Problematik nicht nur auf Impfstoffe und sie ist alles andere als neu. Die etablierte Politik der letzten Jahrzehnte hat nicht nur dabei zugesehen, wie wichtige Produktionen in die Hände global tätiger Konzerne gelangen, sie hat auch kräftig dabei mitgeholfen. Auch die sozialdemokratische Partei.

Nun ja, es soll ja angeblich nie zu spät für Einsichten sein. Das gilt natürlich auch für Parteien. Nur sind sie dann daran zu messen, welche Schritte sie unternehmen, um regionale Produktionen zu fördern und das globale Raubrittertum zu bremsen. Also frisch auf, Frau Rendi Wagner, wir sind gespannt darauf, welche weiteren Schritte sie und ihre Partei unternehmen werden, um eine Trendumkehr zu bewirken.

 
Woko vom 21.2.2021 Drucken E-Mail

Wochenkommentar vom 21.2.2021 entspricht dem "Aktuellen Thema" vom selben Tag.

 
Woko vom 14.2.: „Im Paradoxen erscheint die Wirklichkeit“ (F. Dürrenmatt) Drucken E-Mail

 

Friedrich Dürrenmatts paradoxe Komödie „Die Physiker“, vom Schweizer Dramatiker 1961 verfasst, in der es um die Verantwortung der Wissenschafter in Hinblick auf deren Erkenntnisse und deren ethische sowie politische Konsequenzen geht, erfährt in Corona-Zeiten eine wissenschaftstheoretische und tagespolitische Aktualität, welche weit über die literarische Bedeutung des häufig gespielten Stückes hinausreicht.

Abgesehen von Teilaspekten der Handlung sind es insbesondere auch die „21 Punkte zu den Physikern“, also Dürrenmatts Thesen im Anhang des Stückes, welche die besondere Bedeutung und Aussagekraft der Groteske in Hinblick auf das Corona-Dilemma ausmachen.

So etwa wird das planmäßige Handeln, welches im Sinne des Dramatikers ständig von „Zufällen“, durchbrochen wird, zu einer Theorie des Geschehens, durch welche geradezu das Vertrauen in dieses Geschehen schmilzt, es paradox wird.

Bei den Handlungen von Regierungen und Wissenschaftern erfüllen die zahlreichen Pannen sowie die Intransparenz der Entscheidungen diese „Zufallsfunktion“. Das Paradoxe erscheint uns tagtäglich und präsentiert uns eine Wirklichkeit, auf die es zu reagieren gilt. Angefangen von der Einschätzung der Gefährlichkeit des Virus, des Nutzens von diversen Vorkehrungen dagegen bis hin zur entscheidenden Frage der Verhältnismäßigkeit von ergriffenen Maßnahmen sind wir alle tagtäglich mit dem Paradoxen und einer daraus entstehenden neuen Wirklichkeit konfrontiert.

Dürrenmatts 17. These „Was alle angeht, können nur alle lösen“ wäre sodann eine Konsequenz dieser enttarnten Wirklichkeit, welche sich etwa stützend auf Poppers politisch-moralische Regeln zur Problemlösung entwirren ließe. Aber von einer „Vernunft als Wille zur Problemlösung“ ist vielfach wenig vorhanden. Viel zu sehr spielen Interessen eine Rolle, sowohl politische als auch wirtschaftliche. Durch Letztere werden auch die „Betroffenen“ daran gehindert, ihre Beiträge zur Problemlösung zu liefern, was auch ein demokratiepolitisches Problem darstellt.

Die Protagonisten des Stückes, Einstein, Newton und Möbius, nehmen eine vollkommen unterschiedliche ethische Haltung zu ihrer Verantwortung als Wissenschafter ein. Der Corona-Bürger hingegen ist nicht nur mit unterschiedlichen wissenschaftlichen Aussagen konfrontiert, sondern auch mit der Verantwortung der Politiker, welche teils schwer durchschaubar, täglich wechselnd, intransparent und häufig auch unvernünftig zu sein scheint.

Wie formulierte es Dürrenmatt in seiner These 16: „Der Inhalt der Physik geht die Physiker an, die Auswirkungen alle Menschen.“ Auch wenn die Gültigkeit dieses Wissenschaftsbegriffes in der heutigen Realität wissenschaftlichen Handelns und Forschens durchaus zu hinterfragen ist, so sind insbesondere die Konsequenzen, welche die Politik daraus zieht, nicht nur Allgemeingut, sondern fordern vom Bürger geradezu die Auseinandersetzung damit ein.

Dass diese durch die etablierte Politik so weit wie möglich behindert wird, ist der eigentliche Skandal in einer demokratischen und offenen Gesellschaft. Wer nicht zu den Befürwortern von Regierungsmaßnahmen zählt, wird als Querdenker im negativen Sinn oder als Verschwörungstheoretiker diffamiert. Auch das ist bis zu einem bestimmten Grad paradox.

 
Woko vom 7.2.2021: Intellexeram, si tacuisses, Prof. Liessmann! Drucken E-Mail

 

Was kann man von einem Philosophen, wenn er zur momentanen Lage des politischen Handelns in unserer Gesellschaft befragt wird, erwarten? Was muss man erwarten?

Zunächst einmal den Versuch einer kritischen Analyse des Geschehens, sodann eine auf Vernunft begründete Argumentation, welche gerade jene Alltagsbereiche des politischen Tuns sowie seine Konsequenzen für die Bürger eines Landes offen legt.

Nichts davon war in der TV-Diskussion vom 7.2. im Rahmen der Sendereihe „Im Zentrum“ vom österreichischen Paradephilosophen Konrad Paul Liessmann vorhanden. Liessmann, den ich bis dato in seiner Rolle als Philosoph durchaus geschätzt habe, trug zur Erhellung des Geschehens so gut wie nichts bei, badete nahezu genüsslich in teils sinnlosem Geschwafel.

Liessmann ortet bei „genügend Anstrengung“ durchaus Verständnis für die Frustration vieler Menschen bezüglich der Regierungsarbeit in Bezug auf die Bekämpfung der Coronaproblematik, allerdings ortete er die „Grenzen des Verstehens“ genau dort, wo sie die Regierung ebenfalls sieht.

Richtig liegt Liessmann bei seinen Ausführungen darüber, dass es in der Wissenschaft „keine Einhelligkeit gibt“, sondern dass wissenschaftliches Arbeiten im Sinne von Kar Popper ein ständiger Versuch von Verifikation und Falsifikation der erarbeiteten Thesen ist, aus „Kontroverse“ sowie aus „Versuch und Irrtum“ besteht und nie absolute Gewissheit mit sich bringt. Aber auch hier konterkariert Liessmann seinen Redeschwall dadurch, dass er meint: „Leider bin ich kein Virologe, sonst könnte ich genau sagen, wie die Dinge sind und was zu tun wäre.“

Nein, das könnte er nicht. Er könnte Vermutungen aufstellen, er könnte argumentieren, aber immer unter Bedacht darauf, dass es auch andere Argumente geben wird, die abzuwägen sind und unter Umständen stärker als seine eigenen sind.

Liessmann stellt des Weiteren, wenig überraschend, fest, dass das Vertrauen der Bürger in die Politik nicht mehr gewährleistet sei. Dann aber dreht er den Spieß um und stellt die wenig sinnvolle Frage, ob nicht auch die Politik das Vertrauen in die Bürger verloren habe. Als ob die Bürger ein solches jemals gehabt hätten, sieht man von der antiken Vorstellung einer Demokratie und des Verhältnisses einiger privilegierter Bürger dazu ab. Politik ist Macht, wie Liessmann selbst weiß, und da spielt das „Vertrauen in die Bürger“, abgesehen vom Wahltag, so gut wie keine Rolle. Wiederum ein Redeschwall ohne irgendeine Aussage mit vernünftigem Gehalt.

Schließlich versteht der Philosoph auch nicht, warum „Diskussionen so wunderbar im Kreis rennen“ und die Frage des Tragens von Masken in der derzeitigen Situation so „hochstilisiert“ werde. Offensichtlich ist ihm die Diskussion der so genannten Experten über die Schutzwirkung diverser Masken entgangen. Vielleicht hat er auch nicht mitbekommen, dass die Regierung selbst es war, die ursprünglich das Tragen von Masken nicht für sinnvoll hielt. Der „spezielle Sinn“ des Tragens von Masken ist für den Philosophen sonnenklar, und das trotz der angedeuteten Divergenzen in Fachbereichen über diese Frage. Also doch ein Virologe, unser Professor?

Der Philosoph der Nation bedauert auch noch den „Flop“ der Corona-App, ohne auch ein kritisches Wort darüber zu verlieren, so als gelte es nicht auch hier abzuwägen zwischen Vor- und Nachteilen einer solchen Technologie.

Zu guter Letzt geht Liessmann auch noch auf das „Handbüchlein der Moral“ von Epiktet ein und hält einen Kurzvortrag über die Macht in der Politik. Wiederum vollkommen unkritisch, weil die Frage, ob und wann die Bürger der Politik folgen, nur auf die Konsistenz politischer Botschaften

zurückgeführt wird. Nein, so dumm sind die Bürger nicht, Herr Professor, zahlreiche andere Faktoren wie Eigennutz, mediale Beeinflussung usw. spielen dabei eine Rolle.

Es ist erschreckend, mit welch geringem Maß an analytischen und kritischen Bewusstsein sich einer der bekanntesten Philosophen des Landes medial präsentiert. Si tacuisses, philosophus mansisses, Prof. Liessmann!

 
Woko vom 31.1.2021: Wird jetzt nicht gehandelt, dann droht eine zusätzliche Bildungsmisere Drucken E-Mail

 

Das österreichische Bildungswesen dümpelt seit Jahren vor sich hin. Eine Husch-Pfusch-Aktion, inhaltlich abhängig von der jeweils regierenden Partei und ihrer Ideologie, jagt die andere. Jeder kennt die Diskussion um die Gesamtschule, um die Einführung des Faches Ethik, um die Förderung von Kindern mit anderer Muttersprache, um die unterschiedlichen Maßnahmen, welche es umzusetzen gilt, um bessere PISA-Ergebnisse zu erreichen u.a.m.

Gerade nun, in der durch die Corona-Problematik bedingten eingeschränkten Schulöffnungen und deren Folgen, wäre schnelles und konsequentes Handeln der verantwortlichen Politiker wichtig, damit ohnehin bestehende Bildungsdefizite großer Teile von jungen Menschen, welche sich seit vielen Jahren angehäuft haben (Die diversen PISA-Vergleiche geben trotz ihrer Problematik genügend Indizien für diese Behauptung her), nicht noch drastischer zunehmen. Vor allem sozial schwächere Bevölkerungsschichten erfahren durch Unterrichtsentfall und das derzeit praktizierte distance learning einen weiteren Bildungsrückschritt. Viele von diesen Kindern haben weder einen Computer, mit dem sie arbeiten könnten, noch einen geeigneten Arbeitsplatz. Die Hilfestellungen, welche ihnen von Eltern oder Geschwistern geboten werden können, halten sich in Grenzen.

Die Lehrer an den Schulen kennen die Problematik. Die von Unterrichtsminister Faßmann propagierte „Milde“ in der Benotung ändert am Problem nichts, denn die Defizite bleiben trotz eines positiven Zeugnisses und werden in die Zukunft der Schullaufbahn mitgeschleppt. Diese wird somit für zahlreiche in der derzeitigen Situation benachteiligten Schülerinnen und Schüler ein jähes und plötzliches Ende finden, wenn nämlich wieder „Normalität“, sowohl im Unterrichtsgeschehen als auch in der Beurteilung von Leistungen, an den Schulen eingekehrt ist.

Was also wäre zu tun, um den Super-Gau für zahlreiche junge Menschen zu verhindern und sie ihrer Zukunftschancen nicht zu berauben? Naheliegend wäre es, ihnen zusätzliche Betreuungsmöglichkeiten zu sichern, um Versäumtes aufholen zu können. Ein Vermerk im „milden“ und hoffentlich positiven Abschlusszeugnis könnte quasi als Eintrittskarte für diese Art von Zusatzbetreuung gelten, welche während der Sommerferien an den Schulen angeboten werden sollte. Die Möglichkeit, ein solches Konzept auch in den Semesterferien zu verfolgen, wurde von der Politik wohl schon verschlafen.

Während der Sommerferien? Ich höre schon den Aufschrei von verschiedensten Seiten. Eltern, welche ihr Recht auf Urlaub einfordern, Lehrer, welche auf ihre wohlverdiente Ferienzeit pochen, die Wirtschaft, welche die jungen Leute inclusive ihrer Eltern lieber an Urlaubsdestinationen als Konsumenten weiß, damit die Kassa klingelt.

Aber wenn uns Bildungsmöglichkeiten für alle in unserer Gesellschaft sowie die Zukunft unserer Jugendlichen nur annähernd das wert wären, wovon die Regierung immer gerne spricht, sollte diese Zusatzmöglichkeit ein Muss sein. Gerade da auf Grund einer problematischen Bestell- und Impfstrategie der Politik geplante Sommerurlaube im Ausland ohnedies für zahlreiche Familien buchstäblich ins Wasser fallen werden, gerade weil in den durch Corona bedingten zwei Rumpf-Schuljahren sich so schwere Bildungslücken angehäuft haben, dass nicht nur minder Begabte Schwierigkeiten haben werden, diese in Zukunft zu schließen.

Die Lehrer selbst könnten mit ihrem Engagement während der üblichen Ferienzeit unter Beweis stellen, dass es ihnen in erster Linie um die Zukunft der jungen Menschen geht und nicht um ihre Freizeit, wie ihnen mitunter gerne unterstellt wird. Außerdem sind sie selbst auch in der Urlaubsgestaltung durch die Pandemie gehandicapt. Da sie normalerweise auch während der Ferien arbeiten (Fortbildung, Vorbereitungen usw.) und ihnen über diese Tätigkeiten hinaus eigentlich nur derselbe Urlaubsanspruch zusteht wie anderen Arbeitnehmern auch, wird man diese Tätigkeit selbstverständlich auch zusätzlich entlohnen müssen. Aber das dürfte wohl das geringste Problem sein in einem der reichsten Länder der Welt, in welchem der Anteil der öffentlichen Bildungsausgaben sowohl in Hinblick auf das BIP als auch gemessen an den Gesamtausgaben des Staates immer noch unter dem OECD-Durchschnitt liegt. Wenn man Milliarden in die Hand nimmt, um Unternehmen zu retten oder Panzer zu kaufen, wird man doch auch Geld dafür aufbringen können, um die Zukunft der jungen Menschen und somit auch des Arbeitsmarktes zu gewährleisten.

Auch rechtlich dürfte das kein großes Problem darstellen, denn die Pädagogen sind aus wichtigen dienstlichen Gründen auch während der Ferien abrufbar.

Die Regierung wäre also gut beraten, jetzt die Weichen für ein Unterrichtsgeschehen während der Sommermonate zu stellen und die Sommerferien in diesem Jahr dementsprechend zu verkürzen. Oder will man wieder zuwarten, bis das Schlamassel manifest geworden ist?

 
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