Aktuelles Thema: Covid-19: Langsam kommt Licht ins Dunkel Drucken E-Mail

Die Regierung kommt trotz der bis dato überfreundlichen und äußerst unkritischen Berichterstattung der Medien, welche nicht unwesentlich dazu beitrug, dass derzeit 70% der Österreicher den handelnden politischen Akteuren ein hervorragendes Krisenmanagement bescheinigt, zunehmend in Erklärungsnotstand.

Dabei ist der Eiertanz um die Frage, inwiefern das Tragen von Masken zur Eindämmung einer Ansteckungsgefahr beitragen könnte, wenig ausschlaggebend. Sicherlich, es stellt sich auch hierbei die Frage, von welchen Expertenstab sich die Regierung bei dieser Frage beraten ließ, denn noch am 28.2. erklärte Kanzler Kurz in der ZiB2: „Es bringt nichts mit Masken herumzulaufen, die einen ohnedies nicht schützen.“ Mittlerweile haben zahlreiche Ärzte auch im ORF das bestätigt, was jedem gesunden Hausverstand einleuchtet: dass nämlich jede Art von Mundschutz, die imstande ist, Tröpfchen hintanzuhalten, natürlich auch eine gewisse Art von Schutz darstellt. Und urplötzlich wird gleichsam eine Maskenpflicht eingeführt und auch Wirtschaftsministerin Schramböck verkündet am 3.4. von einem eingerichteten Prüfzentrum, welches die Qualität von Masken innerhalb von 24 Stunden überprüfen könne. Na also, geht doch!

In der Frage der Tests verhielt sich die Sache ähnlich. Kurz und Anschober sprachen sich von Beginn der Krise an vehement gegen Tests bei Menschen ohne Krankheitssymptomen aus. Erst als dann die WHO dazu aufforderte, viel mehr zu testen, vollzog Kanzler Kurz einen ersten Schwenk. Anschober hingegen blieb und bleibt diesbezüglich nahezu weiterhin linientreu. Offenbar hat ihn sein Expertenstab nicht darüber informiert, was jedem vernünftigen Menschen seit Beginn der Erkrankungswelle einleuchtete: Erst eine Vielzahl von Tests, auch repräsentativer Art innerhalb der verschiedenen Bevölkerungsgruppen, kann dazu beitragen, ein Bild davon zu bekommen, wie viele Menschen tatsächlich bereits mit dem Virus infiziert sind. Nicht nur dass sich dann auch positiv getestet Personen, die von ihrer Erkrankung noch gar nichts wissen, in Quarantäne hätten begeben können und somit andere vor einer Ansteckung bewahrt hätten, viel entscheidender wären die dadurch erhaltenen Hinweise auf die Dunkelziffer der Infizierten gewesen. Denn erst dann wären die Statistiken über die durch das Virus verursachte Sterblichkeitsrate sowie über seine Gefährlichkeit aussagekräftig.

Sollte die Regierung im Nachhinein damit argumentieren - und ich befürchte dies - man habe eben im Laufe dieses außergewöhnlichen Ereignisses dazugelernt, so hinkt diese Erklärung schon alleine deshalb von vorne bis hinten, als ich auch den handelnden Personen in der Regierung so etwas wie einen gesunden Hausverstand zubillige. Das Argument, man hätte so gehandelt, weil zu wenig Masken am Markt verfügbar waren, würde bedeuten, dass man die Bevölkerung ganz einfach belogen hat. Na ja.

Vergleichsweise harmlos sind Pannen wie zum Beispiel rund um den „Oster-Erlass“ einzustufen, obwohl es sich dabei um Beschränkungen handelt, welche in Teilbereichen unsere Verfassung außer Kraft setzen würden. Dessen sollten sich Politiker eigentlich bewusst sein. Aber immerhin - Anschober hat sich mit einem „sorry“ entschuldigt und Klarstellung für Montag angekündigt. Wir werden sehen, wie diese ausfällt.

Niemand bestreitet die Existenz von Covid-19. Und es ist wohl auch unbestritten, dass jeder gerne auf den Besuch dieses Virus in seinem Körper verzichten möchte. Kein vernünftiger Mensch bestreitet auch, nach all dem, was wir bisher über dieses Virus wissen, dass es schwere Krankheitsverläufe hervorrufen kann und mitunter auch zum Tod führen kann.

Aber um die Gefährlichkeit eines Erregers beurteilen zu können, ist es ein völliger Nonsens ihn bei nur jenen Menschen durch einen Test nachzuweisen, die bereits Symptome zeigen und dann die positiv Getesteten in einem Verhältnis zu jenen Menschen zu setzen, welche das Virus zum Todeszeitpunkt in sich getragen haben. Dabei bleibt nicht nur völlig ungeklärt, ob letztlich das Virus zum Tod geführt hat, es wird jede aussagekräftige Statistik ad absurdum geführt. Das bestätigt auch der Innsbrucker Infektiologe Prof. Günter Weiss in einem ZiB-Interview vom 3.4., indem er meint, dass es sich nur schwer sagen ließe, wie viele der Verstorbenen nun tatsächlich ursächlich am Corona-Virus verstorben sind. Führende und anerkannte Wissenschaftler machen seit Beginn der Krise auf diese Diskrepanzen aufmerksam, aber ihre Analysen wurden ohne zu argumentieren nahezu sabotiert. Leider auch von den bestimmenden Medien im Land. Keine Diskussion, keine wirkliches Entkräften, der Innenminister forderte die Bevölkerung sogar im ORF auf, nur der Regierungslinie Glauben zu schenken. Entscheidungsorientierung an wissenschaftlichen Fakten sieht anders aus und wurde offenbar von der Regierung ignoriert.

Die nahezu gebetsmühlenartigen Beteuerungen der Regierung, man müsse die „Kurve“ der Infizierten „flach halten, um einen Kollaps unseres Gesundheitssystems zu verhindern, scheint auf den ersten Blick plausibel.

Allerdings kracht es in unserem Gesundheitssystem bereits bei dieser flachen Kurve an allen Ecken und Enden. Jahrelanger Abbau von Ressourcen und Sparmaßnahmen zeigen sich nun in drastischer Art und Weise.

Es stellt sich auch die Frage, warum man nicht schon in den Jahren zuvor in Zeiten der Grippewelle den „nationalen Notstand“ ausgerufen hat und zu ähnlich drastischen Maßnahmen gegriffen hat wie nun. Laut Angaben der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) kostete alleine 2018/19 die Grippewelle 1400 Personen das Leben, ein Jahr zuvor sogar 2800, wobei der Infektionsgrad bei über 400 000 Menschen lag. Wer von uns erinnert sich nicht an die überfüllten Spitalsgänge, auf denen Patienten herumlagen. Im Vergleich dazu halten wir mit heutigem Tag (4.4.) nach Angaben der Regierung bei 11665 bestätigten Fällen und 186 Todesfällen. Forscher der Wirtschaftsuniversität Wien haben Ergebnisse aus Island über die Verbreitung des Virus (Im Unterschied zu Österreich wurde dort ein breitflächiges Testprogramm durchgeführt, um Aufschlüsse über die tatsächliche Verbreitung im Land zu bekommen) in verschiedenen Szenarien auf die Verhältnisse in Österreich übertragen und kamen zu dem Schluss, dass die Anzahl der Infektionen bei allen angewandten Methoden der Berechnung im Durchschnitt etwa neunmal so hoch sein dürfte wie die der bestätigten Fälle, wobei die Schwankungsbreite jedoch sehr hoch ist. Der Multiplikator könnte aber auch bei vier oder vierzehn liegen. (Stand 1.4.)

Man darf dabei nun nicht vergessen, dass die Covid-19-Erkrankung sich just zu dem Zeitpunkt einstellte, zu dem auch die jährliche Grippewelle auf einem Höhepunkt war. Es ist daher bei der derzeitigen statistischen Vorgangsweise der Regierung zu erwarten, dass mit dem Auslaufen der Grippewelle auch die Anzahl der Coronafälle abnehmen wird. Und das auch ohne drastische Maßnahmen.

Unterm Strich bleibt mehr als ein ungutes Gefühl bei der Vorgangsweise der Regierung. Ein ganzes Land buchstäblich an die Wand zu fahren, sowohl ökonomisch als auch sozial, ist eine Maßnahme, welche einer fundierten Begründung bedarf, die auch wissenschaftlich unumstritten ist. Dass das im gegenständlichen Fall jedoch nicht gegeben ist, wird immer klarer - und das ist die eigentliche Problematik.

 

Gerhard Kohlmaier, 5.4.2020