Woko vom 11.11.2018: Die Republik Europa - ein populistischer Vorstoß von Intellektuellen? Drucken E-Mail

 

Während wir morgen, am 12.11.2018, dem hundertjährigen Bestehen der Republik Österreich gedenken, mehren sich die Stimmen, welche eine Republik Europa fordern.

Insbesondere Künstler, wie der Schriftsteller Robert Menasse, setzen sich für dieses Monsterprojekt ein und ließen von mehr als 100 europäischen Orten die Republik Europa, ein „Europa der Bürger, nicht der Nationen“ symbolisch ausrufen.

Dieses symbolische Europa der sozialen und politischen Gleichheit aller BürgerInnen sowie einer transnationalen Demokratie soll wenige Monate vor der Wahl eines neuen europäischen Parlamentes offensichtlich die Diskussion über und das Interesse an einer zukünftigen Gestaltung Europas anregen. So weit, so gut.

Allerdings findet dieser Vorstoß auf dem Hintergrund einer gesamteuropäischen Tendenz zu rechten Parteien statt und will dem derzeit vorherrschenden Trend zum Nationalismus und Populismus mit einer Vorstellung von sozialer und politischer Gleichheit der BürgerInnen gleichsam supranational begegnen.

Die Protagonisten dieser Zukunftsvision übersehen jedoch, dass die derzeit stattfindende Spaltung der Bevölkerung in den europäischen Staaten, welche von rechten Parteien und Populisten betrieben wird, nicht durch die Flucht auf eine supranationale Ebene aufzuheben ist. Denn gerade die derzeitige Situation in vielen europäischen Staaten ist auch Resultat einer linken, vor allem einer sozialdemokratischen Politik der Versäumnisse in den letzten Jahren und Jahrzehnten.

Will man diese korrigieren, dann gilt es zunächst dies auf der nationalen Ebene zu tun. Nur dann wird es in den europäischen Staaten vielleicht eines Tages eine Mehrheit von BürgerInnen geben, welche sich für ein politisch geeintes Europa begeistern können. Der deutsche Journalist der „Welt“, Thomas Schmid, spricht in diesem Zusammenhang von einem „Subjekt“, von einer „kritischen Masse“, welche so eine Veränderung auch tatsächlich will.

Aber wo ist denn dieses „Subjekt“, wo sind die europäischen Bürger, welche derzeit für eine Veränderung der Europäischen Union hin zu einer Republik eintreten? Ich sehe sie nirgends, und das hat zahlreiche Gründe. Sie reichen von der Problematik rund um den Euro bis hin zu den zahlreichen wirtschaftspolitischen und demokratiepolitischen Enttäuschungen einer europäischen Politik der Vergangenheit, wodurch die europäischen Bürger zunehmend in die Hände von nationalstaatlichen Populisten getrieben wurden.

Dass bestehende Konstrukt der EU scheint nicht oder nur sehr eingeschränkt reformierbar zu sein. Die verantwortlichen Politiker innerhalb der Europäischen Union haben sich in den vergangenen Jahren erfolgreich dagegen zur Wehr gesetzt, dieses Europa auch zu einem Europa der Bürger zu machen, nicht nur zu einem der Konzerne.

In dieser Situation nun eine europäische Republik - wenn auch nur symbolisch - auszurufen, zeugt von Ignoranz gegenüber der realen Situation der BürgerInnen innerhalb der EU. Ist das nicht auch eine Art von Populismus, nur diesmal von der anderen Seite?

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