Woko vom 15.4.: Eine andere Geldpolitik steht zur Diskussion Drucken E-Mail

Am 10. Juni stimmt die Schweizer Bevölkerung im Rahmen einer Volksabstimmung über eine gravierende Änderung im Geldwesen des Landes ab. Im Wesentlichen geht es dabei um die Entscheidung darüber, ob - wie bisher - die Banken den Großteil des Geldes herstellen dürfen oder ob die Kontrolle darüber ausschließlich der Zentralbank obliegen soll. Die sogenannte Vollgelddiskussion soll einerseits die Antwort auf wiederum wachsende Gefahren der derzeitigen Geldpolitik sein, aber auch eine neue Ära des Wirtschaftens einläuten. In einer umfassenden Diskussion über Vor- und Nachteile des bisherigen Systems sowie des zur Abstimmung vorgelegten werden für breite Teile der Bevölkerung Bedeutung, Funktionen und Grundlagen des Geldwesens bzw. dessen Auswirkungen auf die Finanz- und Wirtschaftswelt sowie für den Staat und den einzelnen Bürger bewusst gemacht und aufbereitet. Egal, wie man zu einer Systemänderung stehen mag: schon alleine die stattfindende Diskussion über die Geldschöpfung und wovon es abhängig ist, dass wir es auch tatsächlich zur Verfügung haben, wenn wir es als Zahlungsmittel gebrauchen wollen, schafft ein neues Verständnis von markt-, gesellschafts- und finanzpolitischen Zusammenhängen und wäre auch ein wertvoller Bestandteil des demokratischen Bewusstseins in unserem Land.

Als Vermittler des Geldes gelten die Banken. Jene Banken, die uns 2008 eine ernsthafte Finanz- und Wirtschaftskrise bescherten, von der wir uns bis heute nicht erholt haben. Im Gegenteil, zahlreiche Ökonomen warnen vor den nächsten, wiederum von Banken mitverursachten Krisen, die vor der Tür stünden - sei es im Bereich von Immobilien oder anderen so genannten „Blasen“, die sich entwickeln.

Verharmlosend und unklar, wie so vieles in der Sprache von Ökonomen und Bankern, ist auch dieser Begriff einer Blase. Man stirbt meistens nicht daran, assoziieren wir damit, es ist harmlos wie eine Fieberblase, also wie das Herpes-Virus, welches zum Beispiel dann ausbricht, wenn unser Körper Schwächesymptome zeigt. Ist dieser gesund, so schlummert das Virus zwar in den Nervenwurzeln, lässt uns aber unbehelligt.

Völlig anders und bei Weitem nicht harmlos sieht es jedoch bei der Blasenentwicklung im Finanzbereich aus, welcher durch die Geschäftstätigkeiten der Banken entsteht. Man kennt die Gefahr seit langer Zeit, aber man arbeitet nicht ernsthaft und nachhaltig an der Gesundung des Gesamtorganismus. Im Gegenteil, die verabreichten Salben nach der Finanzkrise waren nicht einmal ausreichend, um die aufgeplatzten Stellen im Organismus zuzudecken. Um das Virus einzuschläfern, so zeigt es die gegenwärtige Praxis der Finanz- und Geldwirtschaft, genügen sie bei Weitem nicht. So ist es nur eine Frage der Zeit, bis das Virus wieder ausbricht und uns vielleicht vor nahezu unlösbare finanz- und wirtschaftspolitische Herausforderungen stellt.

Unser Banksystem ist nach wie vor schwer krank und es besteht durchaus die Gefahr, dass es uns beim nächsten Crash in einer Weise mitreißt, wo die entstandene Problematik nicht einmal mehr kurzfristig durch Staatshaftungen und in Gang gesetzte Geldflüsse von Zentralbanken zu lösen ist, sondern in eine langanhaltende Rezession und Verarmung breiter Bevölkerungsschichten münden wird.

Der Grund dafür ist, dass wirksame Reformen im Geld- und Bankensystem nach wie vor in den Wind geschlagen werden. Trotz diverser Regelabkommen (z.B. der Basel-Vorschriften) liegen die Eigenkapitalquoten österreichischer Bankinstitute durchschnittlich in etwa bei 13%, drohen allerdings durch die Verschärfungen des Basel IV-Abkommens, welches 2021 voll in Kraft tritt, wieder unter 10% zu fallen.

Die Banken schaffen auf Grundlage dieser geringen Eigenkapitalquoten jedoch nach wie vor Geld, das sie nicht besitzen und kassieren dafür Zinsen. Täglich entstehen neue, für den Laien nahezu undurchschaubare Finanzkonstrukte, mit denen man an den internationalen Finanzmärkten jongliert. Letztere sind nach wie vor von der Realwirtschaft entkoppelt. Alles beim Alten, wie vor Ausbruch der Krise. Nichts, oder fast nichts dazugelernt.

 

Im Gegensatz zur österreichischen Politpraxis obliegt es in der Schweiz der Bevölkerung, die Geldwirtschaft des Landes wieder auf solide Beine zum Wohle der Gesamtbevölkerung zu stellen. Man darf gespannt sein, wie die Entscheidung des Schweizer Volkes ausfallen wird. Auf jeden Fall aber sollte die Diskussion über eine vernünftigere, sichere und weniger krisenanfällige Geldpolitik auch bei uns geführt werden.