Steuerini
Aktuelles Thema, 12.10.2014: Wir müssen Volksabstimmungen selbst organisieren! Drucken E-Mail

Der europäische Aktionstag gegen die geplanten Freihandelsabkommen der EU war durchaus ein Erfolg, weil klar demonstriert wurde, dass die Mehrheit der über die Abkommen informierten Bürger diese ablehnen. Zahlreiche Organisationen nahmen an den Kundgebungen teil, weitere Aktionen sind geplant. Aber ist das genug?

Einerseits lässt sich durch solche gebündelte Aktionen nicht nur mediale Aufmerksamkeit für die Problematik erzeugen, sondern durchaus auch ein bestimmter Druck auf die politischen Entscheidungsträger. Teilerfolge sind vorprogrammiert, und das ist das Positive an solch breit angelegten Plattformen.

Andererseits jedoch gelingt es solchen Bündnissen nicht, die Interessen, der hinter solchen Verträgen stehenden Konzerne und des Finanzkapitals, wesentlich zu durchkreuzen. Das hat die so genannte Zivilgesellschaft in den letzten Jahren und Jahrzehnten schmerzvoll hinnehmen müssen.

Ein wesentlicher Grund dafür ist die Deregulierung von demokratischen Mitbestimmungsprozessen, welche von der herrschenden Politik umzusetzen sind. Wenn Volksabstimmungen, bei denen der Volkswille von den Regierungen umgesetzt werden muss, von eben diesen Regierungen nicht durchgeführt oder unmöglich gemacht werden, dann bleiben den zahlreichen NGOs in wichtigen gesellschaftspolitischen Fragen nur mehr jene scheindemokratischen Mitsprachemöglichkeiten, die sich schon in der Vergangenheit als wirkungslos herausgestellt haben, wie etwa Volksbegehren und Petitionen. Letztere boomen gleichsam, sowohl in den Nationalstaaten als auch auf europäischer Ebene, hatten und haben aber im Wesentlichen kaum Wirkungen auf die parlamentarischen Entscheidungs- und Abstimmungsprozesse. Was von ihnen bleibt, ist meist nicht mehr als die Möglichkeit, den Bekanntheitsgrad von einigen NGOs zu steigern und solche Begehren von unterschiedlichen Seiten parteipolitisch zu nutzen.

Erst vor Kurzem hat die EU-Kommission eine europäische Bürgerinitiative gegen die geplanten internationalen Handels- und Investitionsverträge abgelehnt. Die Begründung für diese Ablehnung ist mehr als problematisch, aber letztlich nebensächlich, weil die juristische Grundlagen für solche Volksentscheidungen von der herrschenden Politik eben so angelegt sind, dass sie möglichst nie stattfinden können. Die Europäische Kommission und die dahinter stehenden Lobbyisten der internationalen Großkonzerne sowie des Finanzkapitals fürchten wohl das Votum der Bürger.

Erschreckend an dieser Tatsache ist allein der Umstand, dass sich unsere „Volksvertreter“ den Interessen dieser global Player verpflichtet fühlen und nicht mehr den Anliegen ihrer Wähler.

In dieser Situation weiterhin auf jene Instrumentarien einer Schein- und Rumpfdemokratie zu setzen, die man dem Volk zubilligt, weil sie wirkungslos sind, ist relativ naiv.

Wir müssen mit dem weiteren Abbau des Sozialsystems, die Fortsetzung der Umverteilung von unten nach oben in der Steuerpolitik, die zunehmende Orientierung auf militärische Lösungen von Interessenskonflikten und den Mangel an gelebter Demokratie rechnen. Auch die auf den Lobbyismus gestützte Vorherrschaft der Vermögensbesitzer wird fortgesetzt werden.

Wenn die Regierungen dem Volk die verbindliche Mitsprache am gesellschaftspolitischen Geschehen verweigert, dann müssen die Bürger selbst aktiv werden und Volksabstimmungen organisieren. Volksabstimmungen „von unten“ sozusagen, um dem Volkswillen zum Durchbruch zu verhelfen. Die Steuerinitiative hat sowohl im Rahmen der HYPO-Causa als nun bei der Ablehnung der Freihandelsverträge den Impuls dafür gesetzt und mit solchen Volksabstimmungen „von unten“ begonnen, die sie auch in Hinkunft fortsetzen wird.

Die Zivilgesellschaft und die NGOs sind mittlerweile sehr gut vernetzt und etliche der größeren Organisationen verfügen über hervorragende Strukturen, die bis in die kleinsten Gemeinden reichen. Das ist die Basis dafür, dass das Vorhaben noch die zusätzliche Dynamik erhält, um alle Bürger zu erreichen.

Es bleibt uns nicht erspart, wenn wir die Demokratie ernst nehmen und selbst mitbestimmen wollen: Wenn „die da oben“ dafür sorgen, dass der Volkswille zahnlos wird, dann müssen wir diesem selbst zum Durchbruch verhelfen. Volksabstimmungen „von unten“ bieten uns die Möglichkeit dazu. (Gerhard Kohlmaier, www.steuerini.at)

 
VOLKSABSTIMMUNG von UNTEN der Steuerini im Rahmen des Aktionstages gegen die Freihandelsabkommen Drucken E-Mail

Im Rahmen des europäischen Aktionstages gegen TTIP, CETA und TISA beteiligten sich in Wien ca. 2000 Menschen an der Kundgebung und am Demonstrationsmarsch.

Die Steuerini führte im Rahmen dieses Aktionstages wieder eine VOLKSABSTIMMUNG von UNTEN durch und bedankt sich bei 301 Unterstützern, dass auch sie der Meinung sind, dass es das Volk selbst ist, das Volksabstimmungen durchführen muss, weil "die da oben" alles tun werden, um demokratische Willensäußerungen des Volkes mittels einer Volksabstimmung zu verhindern.

 

Nach den "Volksabstimmungen von unten" zur HYPO-Causa wird die Steuerini ihre Idee der selbstorganisierten Bürgerwehr nun im Rahmen der Ablehnung der Freihandelsabkommen fortsetzen und lädt auch andere Organisationen ein, diese Idee zu propagieren und umzusetzen. Über weitere Termini werden Sie im Rahmen des Veranstaltungskalenders informiert.

 


 
Woko vom 5.10.: CETA, TTIP und TIPS - drei Abkommen, die die Freiheit der Bürger und Staaten gefährden! Drucken E-Mail

Die Abkommen über die Freiheit des Handels (CETA, TTIP) und der Dienstleistungen (TIPS), die zwischen Canada, den USA und der EU ausverhandelt wurden und werden, erzeugen zunehmend den Unmut der Bürger.

Gemeinsam ist allen drei Abkommen, dass sie hinter verschlossenen Türen, also geheim, von der EU-Kommission verhandelt werden, wobei insbesondere Lobbyisten internationaler Konzerne Einfluss auf den Verlauf der Gespräche haben, während das EU-Parlament, nationale Parlamente oder gar Vertreter der Zivilgesellschaft keinerlei Einfluss auf die Gespräche haben. Bewusst wird auf Transparenz verzichtet, bewusst werden demokratische Meinungsbildung und Verfahrensweisen sowie die Informationspflicht und die Mitsprachemöglichkeiten demokratisch gewählter Institutionen außer Kraft gesetzt, um den Interessen von Großkonzernen zum Durchbruch zu verhelfen.

Gemeinsam ist den Abkommen aber auch, dass der darin enthaltene Investitionsschutz für  Konzerne vorsieht, dass Umsatzeinbußen, welche diese durch nationale Gesetze erleiden, in Hinkunft vor eigenen Schiedsgerichten eingeklagt werden sollen und die staatliche Gerichtsbarkeit somit umgangen wird.

Solche Investitionsschutzabkommen sind zwar nichts Neues, die nach den derzeit vorhandenen Abkommen laufenden Klagen demonstrieren aber auch, was das in Zukunft für die einzelnen Staaten bedeuten könnte: So klagt derzeit der internationale Energiekonzern Vattenfall die BRD auf 4 Milliarden Euro Verdienstentfall wegen der Entscheidung über den Atomausstieg nach der Fukushima-Katastrophe und die Stilllegung von zwei von Vattenfall betriebenen AKWs. Der Zigarettenkonzern Philip Morris klagt derzeit den Staat Uruguay wegen seiner Rauchergesetze und Warnhinweise auf Zigarettenpackunbgen auf einen Verdienstentgang von 2 Milliarden Dollar, das ist ein Sechstel des gesamten Staatshaushaltes von Uruguay. 2012 musste Ecuador wegen der Beendigung eines Vertrages zur Erdölförderung eine Entschädigungssumme von 1,77 Milliarden Dollar an den Ölkonzern Occidental zahlen.

Das bedeutet, dass in Zukunft die Bürger eines Staates, sollten sie für irgendwelche Regelungen eintreten, die sie zwar für vernünftig, zukunftsorientiert usw. halten und die ihren Ausdruck in der nationalen Gesetzgebung finden, von Großkonzernen gehörig zur Kassa gebeten werden können. Die Freiheit der Staaten und Bürger endet also dort, wo Konzerne ihre Interessen gefährdet sehen.

CETA, TTIP und TIPS gefährden aber auch noch ganz andere Rechte der Bürger wie die vielfältigen sozialen Standards, welche europäische Arbeitnehmer erst vor ca. 100 Jahren mühsam erkämpft und durchgesetzt haben. Eine Angleichung an amerikanische Sozial-standards und ein beginnendes Lohndumping sind nicht nur ein ernst zu nehmender Angriff der Großkonzerne auf die Souveränität der einzelnen Staaten, sondern auch auf die Freiheitsrechte der Bürger.

Schließlich sei nicht unerwähnt, dass diese Abkommen die Liberalisierung der Märkte bis hin zur Privatisierung von wichtigen Bereichen der Infrastruktur der Staaten und der Privatisierung von lebensnotwendigen Gütern im Auge hat und somit die Abhängigkeit ganzer Völker und Staaten von den Interessen der Großkonzerne massiv verschärfen wird.

Zahlreiche andere strittige Punkte, wie Nahrungsmittelstandards, Umweltstandards und die demokratischen Rechte sind Bestandteil dieser Abkommen, auf deren Zustandekommen - nach derzeitigem Diskussionsstand - unter Umständen nicht einmal die nationalen Parlamente Einfluss haben könnten, sollten sie vom Europäischen Parlament beschlossen werden.

Einen Vorgeschmack, wie wenig nach den Vorstellungen der EU-Mächtigen das Volk an Mitspracherecht bei solchen wesentlichen Entscheidungen haben soll, bietet die Ablehnung der von einem breiten Bündnis von über 240 Organisationen eingereichten Europäischen Bürgerinitiative durch die Europäische Kommission, welche derzeit vor dem Europäischen Gerichtshof angefochten wird.

Es liegt an uns, am Volk selbst, ob und in welchem Maße wir für unsere Interessen eintreten. Eine selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative steht im Raum und soll zur Durchführung kommen, wenn die Europäische Kommission eine Erhebung des Volkswillens weiterhin verhindern wird. Dies ist auch ein indirekter Erfolg der Steuerinitiative, welche seit Jahren selbst durchgeführte „Volksabstimmungen von unten“ fordert und solche bereits in Ansätzen durchgeführt hat.

Wir alle können und sollten uns am kommenden Samstag, den 11. Oktober, am gesamteuropäischen Aktionstag gegen diese Freihandelsabkommen beteiligen (siehe: Veranstaltungen und Termine), denn wir lassen uns unsere Bürgerrechte und Freiheiten nicht von Großkonzernen beschneiden! (Gerhard Kohlmaier)

 
Woko vom 29.9.: Wir brauchen ein neues Steuersystem. Ratschläge an den neuen Finanzminister, Teil 4 Drucken E-Mail

Eine Steuerreform muss neben sozialen und ökonomischen Aspekten, will sie vor allem auch mittel- und langfristige gesellschafts- und umweltpolitische Lenkungseffekte enthalten, auch auf eine ökologische Ausrichtung Rücksicht nehmen. Wir müssen reagieren auf die zunehmende Umweltproblematik (Müll, Klimaerwärmung,...), auf die Frage der Ressourcenverfügbarkeit für künftige Generationen, wir brauchen einen effizienteren Umgang mit allen Formen von Energie und Verkehr.

Prinzipiell sollen ökologische Steuern aufkommensneutral sein: einer Belastung auf der Seite der „Umwelt“ sollte eine dementsprechende Entlastung auf der Seite der Löhne und Einkommen gegenüberstehen. Dadurch wird die Akzeptanz solcher Steuern durch die Bevölkerung erhöht. Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt bei ökologischen Steuern ist einerseits ihr Lenkungseffekt, den sie für eine lebenswertere Gesellschaft und Umwelt haben, andererseits aber auch deren belebende Wirkung auf die Wirtschaft.

Österreich hat zunächst noch einigen Spielraum nach oben beim Steueraufkommen aus der Mineralölsteuer. Hier liegen wir laut VCÖ (Verkehrsclub Österreich) im europäischen Mittelfeld: Eurosuper wird in Österreich mit € 0,482.- pro Liter besteuert, Diesel mit

€ 0,397.-. Die entsprechenden europäischen Durchschnittssteuerwerte betragen hingegen € 0,532 beim Eurosuper und € 0,417.- bei Diesel. Gerade als Transitland wäre eine entsprechende Anhebung zumindest auf die europäischen Durchschnittswerte angebracht. Zusätzlich dazu ist eine LKW-Maut auf allen Straßen einzuführen, um den Gütertransport vermehrt auf die Schiene zu zwingen. Diese könnte unter Umständen auch in Anlehnung an die Autobahnmaut in Form von Tages-, Wochen-, Monats- oder Jahresvignietten eingehoben werden.

Auch die steuerliche Begünstigung von Firmenautos  ist dringend reformbedürftig. Es ist nicht einsehbar, warum sich Firmen alleine dadurch, dass ihr Firmenauto auch privat genutzt werden darf, durchschnittlich über € 3100.-/Jahr ersparen und beispielsweise Manager eine wesentlich geringere Steuerleistung für ihren mobilen Untersatz erbringen als der Durchschnittsösterreicher. Nach Berechnungen der EU entgehen dem Staat alleine durch die Begünstigung von Firmenautos Steuereinnahmen von bis zu 1,6 Milliarden Euro jährlich.


Nach wie vor ist Flugbenzin in Österreich nicht besteuert. Die 2011 eingeführte Flugabgabe, die je nach Kurz-, Mittel- oder Langstreckenflug gestaffelt ist, kommt den Fluggesellschaften jährlich immer noch um ca. 310 Millionen Euro billiger als eine Kerosinsteuer, die sich der Benzinbesteuerung anschließt. Außerdem ist der Lenkungseffekt der Flugabgabe umstritten, denn gerade die Kurzstreckenflüge, wo es umweltfreundlichere Transportmöglichkeiten gibt, sind mit € 7.- zu gering bemessen.

Also entweder man besteuert in Zukunft das Kerosin oder man erhöht und staffelt die Flugabgaben anders, vor allem im Bereich der Kurzstreckenflüge.

Im Bereich der Abfallvermeidung sollte man steuerlenkend näher beim Verursacherprinzip ansetzen und nicht diese ausschließlich über Erhöhung der Abfallgebühren regeln zu wollen. So sollten Tetraverpackungen, Plastikflaschen, Plastikeinkaufssäcke usw. mit einer

Umweltsteuer belegt werden. Konsumenten und Märkte werden durch ein dementsprechend umweltfreundliches Produktions- bzw. Einkaufsverhalten darauf reagieren.

Schließlich ist eine umweltfreundliche Energiegewinnung bzw. deren Einsatz steuerlich deutlicher zu entlasten, hingegen sind fossile Energieträger stärker zu besteuern, nicht zuletzt weil sie unsere Außenhandelsbilanz empfindlich belasten. 2012 betrug das Handelsbilanzdefizit bei Öl, Gas, Kohle und Strom bereits 13 Milliarden. Österreich bezieht noch immer ca. 2/3 seines Energieverbrauchs aus diesen fossilen Energieträgern. Wir müssen also zusätzliche Anreize zum Ausbau erneuerbarer Energien schaffen und diese Energieformen steuerlich deutlicher begünstigen.

Im Bereich der Energieeinsparung, insbesondere bei der thermischen Sanierung sollten verstärkte steuerliche Anreize gesetzt werden. Die bisher von der Regierung in einem Fördertopf zur Verfügung gestellten 100 Millionen Euro waren bereits Mitte des Jahres ausgeschöpft und eine Antragstellung für viele Bürger nicht mehr möglich. Gerade in diesem Bereich könnte jedoch eine deutlichere steuerliche Entlastung für alle, die derartige Investitionen tätigen, auch zu einem Wachstumsimpuls der Wirtschaft führen. Die Steuerentlastung sollte man vom einzelnen Projekt abhängig machen, welches, um sinnlose Dämmungen und Fehler zu vermeiden, immer von einem Bausachverständigen bzw. Bauphysiker begleitet sein muss. Die Förderung für umweltfreundliche Heizanlagen gehört zumindest verdoppelt.


Noch einmal möchte ich betonen, dass ökologische Steuern besondere Lenkungseffekte haben und in Zeiten zunehmender Probleme im Bereich des Klimas und der Umwelt insgesamt eine Steuerreform ohne diese ökologischen Steuerungseffekte gleichsam undenkbar ist. (Gerhard Kohlmaier)


 
Woko vom 21.9.: Wir brauchen ein neues Steuersystem. Ratschläge an den neuen Finanzminister. Teil 3 Drucken E-Mail

Wir brauchen ein neues Steuersystem. Ratschläge an den neuen Finanzminister. Teil 3

Nun hat der ÖGB sein Steuerkonzept vorgelegt, und das mit Zustimmung der ÖVP-Gewerkschafter. Aber gleichzeitig hat der ÖVP-ÖAAB ein völlig anderes Modell vorgelegt. In der politischen Praxis dürfte die Zustimmung der christlichen Gewerkschafter also nicht viel wert sein. Sei es, wie es ist, aber immerhin gibt es zwei Vorschläge, zu denen man Stellung nehmen kann.

Der ÖGB legt ein Modell mit mehreren Steuerstufen vor, u.a. um die kalte Progression abzufedern. Dieses Phänomen wird man allerdings auch durch mehrere Steuerstufen nicht los. Die Forderung, die Regierung müsse die Steuertarife erst dann an die Inflation anpassen, wenn die Teuerung 5% erreicht habe, bedeutet schlichtweg das teilweise Festhalten an dieser Arbeitnehmergeldquelle für den Finanzminister. Nur eine jährliche Tarifanpassung (Das sollte in Zeiten der elektronischen Datenverarbeitung kein Problem mehr sein) kann diese Vernichtungsmaschinerie von Lohn- bzw. Gehaltserhöhungen tatsächlich verhindern. Eine andere Möglichkeit wäre eineVereinbarung zwischen den Sozialpartnern und kollektivvertragliche Regelungen, dass künftige Lohn- und Gehaltsverhandlungen  prinzipiell nicht mehr unter der Inflationsrate plus dem Anteil am Wirtschaftswachstum abgeschlossen werden dürfen. Beides kann ich dem vorliegenden ÖGB-Entwurf nicht entnehmen.

Obwohl der vorgeschlagene Tarifverlauf aus meiner Sicht einen Fortschritt im Vergleich zum derzeitigen bedeutet, führt er vor allem im Bereich der niedrigen und mittleren Einkommen zu einem noch steileren Gesamtbelastungsanstieg als bisher. Der Grund dafür ist die Höchstbeitragsgrundlage bei den Sozialversicherungsbeiträgen, die ab einem Jahresgehalt von € 57.600.- nicht mehr steigen. Eine spürbare Steuerprogression sollte jedoch im obersten Drittel stattfinden, nicht aber in der Mitte der Steuerbelastungskurve. Daher führt auch an einer Änderung der Sozialversicherungsbeiträge kein Weg vorbei, will man das Steuersystem insgesamt gerechter gestalten. Zu überlegen und durchzurechnen wäre also, wie man die Höhe der Sozialbeiträge neu staffelt - also im unteren Einkommensbereich entlastet, im oberen die Beiträge kontinuierlich anhebt - sodass die Maßnahmen in der Summe keine negativen Auswirkungen auf die Lohnnebenkosten haben.

Besser wäre es ohnedies, die Sozialbeiträge der Dienstgeber nicht mehr nach der Lohnsumme, sondern endlich nach der Wertschöpfung zu berechnen. Das würde arbeitsintensive bzw. personalintensive Wirtschaftsbereiche deutlich entlasten und einen Gegentrend zur Gewinnerhöhung durch Rationalisierung bzw. durch Personalabbau schaffen. So könnten Betriebe, die ihre Mitarbeiter halten, belohnt werden und der Staat könnte sich andererseits enorme Beträge an Arbeitslosenunterstützung ersparen. Gerade in Zeiten, wo die Mechanisierung in alle Bereiche des Wirtschaftslebens vorgedrungen ist, von den Banken, über die Flughäfen bis hin zur Warenbesorgung über das Internet und die Kunden gleichsam selbst die Dienstleistungen erbringen, die früher von Unternehmen geleistet wurden, hat die Besteuerung nach der Lohnsumme längst ausgedient.

Einkommenssteuerpflichtig sind aber nicht nur die Lohn- und Gehaltsbezieher, sondern auch alle Selbständigen und all jene, die ihre Einkünfte aus Betrieben, aus Kapitalvermögen, aus Vermietung, Verpachtung usw. beziehen. Auch ihre Einkünfte sollten bis zu einem Betrag von € 80 000.- (ÖGB-Modell) jährlich den Lohnsteuerstufen gemäß versteuert werden. Was darüber liegt, sollte wiederum gestaffelt werden, beispielsweise zwischen € 80.000.- und 120.000.- mit einem Steuersatz von 55%, zwischen € 120 000.- und 150 000.- mit 60%, zwischen € 150.000.- und 300.000.- mit 70% und über € 300.000.- mit 80%. Selbstverständlich nach Abzug ihrer Investitionen.

Auf diese Art und Weise wäre dem Steuermodell auch eine Vermögenszuwachssteuer hinzugefügt, mit der man die Reform finanzieren könnte.

Die Idee, die Reform über Strukturmaßnahmen (ÖAAB-Steuermodell) zu finanzieren, halte ich für schlicht unredlich. Denn einerseits sind es gerade diese Strukturen, welche die Profiteure des Systems mit allen Mitteln verteidigen werden - und das, so lange die Mehrheit der Bevölkerung nicht dagegen aufsteht - mit Erfolg, andererseits wirken Strukturmaßnahmen nicht sofort, sondern irgendwann. Abgesehen davon, dass das ÖAAB-Modell die Umverteilung der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung von unten nach oben noch mehr begünstigen würde als das bisherige.

Weil Steuern zum Steuern da sind, sollte man sich aber nicht nur mit einer Reform der Lohnsteuer beschäftigen, sondern insbesondere mit ökologischen Steuern, die eine stark lenkende Wirkung haben. Darüber im 4. Teil meiner Ausführungen. (Gerhard Kohlmaier)

 
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